Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Auch nach der Neufassung der StPO, die eine Zurückverweisung zwar nicht ausdrücklich vorsieht, ist das Berufungsgericht zur Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht verpflichtet, wenn dieses aus der Sicht des Berufungsgerichts aus rechtsfehlerhaften Gründen das Verfahren eingestellt hat.

  • 2.

    Zum Tatort bei der veruntreuenden Unterschlagung

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 30.09.2004)

 

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Amtsgericht Neuss (zurück)verwiesen.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat gegen die Angeklagte Anklage wegen (veruntreuender) Unterschlagung erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Amtsgericht das Verfahren in der Hauptverhandlung wegen fehlender örtlicher Zustellung eingestellt. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die Angeklagte im angefochtenen Urteil wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Recklinghausen zurückzuverweisen.

II.

Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Soweit die Angeklagte mit der formellen Rüge eine Verletzung von § 265 StPO bzw. auch von § 261 StPO rügt, kann dahinstehen, ob diese Rügen begründet sind. Denn schon die in zulässiger Form erhobene Rüge, das Landgericht habe nicht in die sachliche Prüfung des amtsgerichtlichen Urteils eintreten dürfen, führt zum Erfolg.

1.

Das Landgericht hat zu Unrecht seine sachliche Zuständigkeit zur Prüfung in der Sache angenommen, nachdem das Amtsgericht das Verfahren wegen fehlender Zuständigkeit eingestellt hatte. Auch nach der Neufassung der StPO, die eine Zurückverweisung zwar nicht ausdrücklich vorsieht, ist nach allgemeiner Meinung das Berufungsgericht zur Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht verpflichtet, wenn dieses aus der Sicht des Berufungsgerichts aus rechtsfehlerhaften Gründen das Verfahren eingestellt hat. Anderenfalls würde das Berufungsgericht in der Sache eine erstinstanzliche Verhandlung durchführen würde, obwohl das Gesetz ihm nur die Zuständigkeit zu einer Berufungshauptverhandlung zuweist. Eine Verhandlung zur Sache hat in erster Instanz noch nicht stattgefunden. Es liegt nur ein erstinstanzliches "Prozessurteil" vor, auf das dann in der Berufungsinstanz kein Sachurteil folgen darf (OLG Koblenz NStZ 1990, 296; OLG Stuttgart NStZ 1995, 301; OLG Karlsruhe NStZ 2005, 402, 403; NStZ-RR 2005, 208 mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu auch Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 328 Rn. 4).

2.

Allerdings war das Verfahren nicht, wie von der Revision beantragt, wegen fehlender örtliche Zuständigkeit einzustellen. Vielmehr war es zurückzuweisen. In Betracht kam jedoch nicht - wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt - die Zurückverweisung an das Amtsgericht Recklinghausen, sondern an das nach Auffassung des Senats sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Neuss. Dessen Zuständigkeit ergibt sich aus § 7 StPO i.V.m. § 9 StGB.

a)

Das Landgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen:

"Die Angeklagte war mit der in Recklinghausen lebenden Zeugin C. befreundet. Diese ist dauerarbeitslos; zwischenzeitlich hat sie ihren damaligen Lebensgefährten, den als Zeugen gehörten Herrn O., einen Frührentner, geheiratet und lebt mit diesem auf bescheidenstem sozialen Niveau. Im Sommer 2002 gedachte sie, ihren sechs Jahre alten PKW vom Typ Ford Escort zu verkaufen. Die Angeklagte zeigte Kaufinteresse, erwähnte aber gleichzeitig, dass sie den Kaufpreis auf einmal nicht würde zahlen können. Man einigte sich deshalb mündlich auf eine Ratenzahlung in Höhe von 150,00 EURO bei einem Kaufpreis von 3.300,00 EURO. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt noch in Bad Oldeslohe zugelassen. Zunächst war eine Umschreibung des Fahrzeugs in Marl beabsichtigt, da die Angeklagte jedoch in Neuss wohnt, war eine Ummeldung im Kreis Recklinghausen nicht möglich.

Mit Datum vom 23.08.2002 schlossen die Angeklagte und die Zeugin C. einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug. Den von der Versicherung HUK-Coburg entworfenen formularmäßigen Vertrag hatte der Zeuge O. aus dem Internet heruntergeladen. Bei einem Gesamtpreis von 3.300,00 EURO wurde unter der Rubrik 'Sondervereinbarung' folgendes vermerkt:

'Ratenzahlung wird vereinbart

siehe Anlage, 23.08.2002

Abmeldung erfolgt d. Käufer am 28.8.02

Besch. und Brief werden zurückgegeben

bis zur vollst. Bezahlung'.

Darunter stand der formularmäßige Text:

'Das Fahrzeug, der Kfz-Brief, der Kfz-Schein, die AU-Bescheinigung und die Fahrzeugschlüssel wurden übergeben. Das Kraftfahrzeug bleibt bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises Eigentum des Verk...

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