Entscheidungsstichwort (Thema)

Bagatellkriminalität. Bagatelldelikte. Übermaßverbot. Unterbringung in Entziehungsanstalt. Ausnahme der Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB vom Revisionsangriff. Bindung nur des Revisionsgerichts. generalpräventive Erwägungen zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bedarf einer Begründung, die sich gesondert und eingehend mit den gesetzlichen Voraussetzungen in § 47 Abs. 1 StGB auseinandersetzen muss.

 

Normenkette

StGB §§ 47, 64

 

Verfahrensgang

AG Lüdenscheid (Entscheidung vom 04.07.2017; Aktenzeichen 52 Ds 243/16)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Lüdenscheid hat den Angeklagten am 04.07.2017 wegen Diebstahls in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Hausfriedensbruchs in zwei weiteren Fällen und wegen Erschleichens von Leistungen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Zur Strafzumessung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Die jeweiligen Strafrahmen, die anzuwenden sind, ergeben sich aus den §§ 123, 242, 265 Buchst. a StGB und reichen grundsätzlich im Falle des Hausfriedensbruchs von einer Geldstrafe bis zu einer einjährigen Freiheitsstrafe, im Fall des Diebstahls von einer Geldstrafe bis zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe und im Fall des Erschleichens von Leistungen von einer Geldstrafe bis zu einer einjährigen Freiheitsstrafe.

Das Gericht hat die jeweiligen Strafrahmen allerdings aufgrund der Vorschriften der §§ 21, 49 StGB gemildert und in den sodann gefundenen konkreten Strafrahmen die in der Betäubungsmittelabhängigkeit zu findende Triebfeder des Angeklagten für die inkriminierten Taten erheblich strafmildernd berücksichtigt.

Des Weiteren konnte strafmildernd berücksichtigt werden, dass der Angeklagte sich vollumfänglich geständig, reuig und einsichtig zu den von ihm begangenen Taten eingelassen hat.

Schlussendlich ist insgesamt kein hoher materieller Schaden eingetreten. Insbesondere bei den Diebstahlstaten war zu berücksichtigen, dass die Ware, die in zwei Fällen die Geringwertigkeitsgrenze nicht überschritten hat, zudem von den Berechtigten jeweils einbehalten werden konnte.

Auf der anderen Seite ist der Angeklagte in der Vergangenheit bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten und stand zu den Tatzeitpunkten unter laufender Bewährungsaufsicht in gleich mehreren Verfahren, was strafschärfend zu werten gewesen ist.

Unter Abwägung sämtlicher, insbesondere der vorgenannten strafzumessungsrelevanten Kriterien hat das Gericht für den Diebstahl der Federhalter in Tateinheit mit dem von dem Angeklagten begangenen Hausfriedensbruch auf eine kurzzeitige Freiheitsstrafe von vier Monaten und wegen aller übrigen Straftaten jeweils auf kurzzeitige Freiheitsstrafen von je einem Monat erkannt.

Der Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen bedurfte es vor dem Hintergrund des Vorlebens des Angeklagten, der die Taten während einer Lebensphase bestehender Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, trotz des geringen Erfolgsunwertes jedenfalls eines Teils der von ihm begangenen Taten (§ 47 StGB), wobei die Verhängung der kurzzeitigen Freiheitstrafen nicht zuletzt auch aus generalpräventiven Gründen unerlässlich war.

Nach nochmaliger Abwägung sämtlicher strafzumessungsrelevanten Kriterien hat das Gericht sodann bei angemessener Erhöhung der Einsatzstrafe gegen den Angeklagten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt, welche tat- und schuldangemessen ist."

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte Sprungrevision, die nach der Zustellung des Urteils auch form- und fristgerecht mit der allgemeinen Sachrüge begründet worden ist. Der Angeklagte rügt insbesondere die Verhängung von Freiheitsstrafen: die Voraussetzungen des § 47 StGB lägen weder vor noch seien diese hinreichend in dem Urteil dargelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat - u.a. wegen fehlerhafter Nichtprüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB - beantragt wie erkannt.

Der Angeklagte hat mit Zuschrift vom 11.10.2017 daraufhin die Revision dahingehend beschränkt, dass die Nichtanwendung des § 64 StGB ausdrücklich von dem Revisionsangriff ausgenommen werde.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig und hat in der Sache im tenorierten Umfang - zumindest vorläufig - Erfolg.

1.)

Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht lässt hinsichtlich des Schuldspruchs keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

Auf die Sachrüge hin ist nur zu überprüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d.h. frei von ...

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