Entscheidungsstichwort (Thema)

Persönlichkeitsrechtsverletzung: Verpflichtung zur Anonymisierung eines im Internet abrufbaren älteren Artikels über ein eingestelltes Strafverfahren

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004; GG Art. 1-2, 5; StPO § 153a

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 12.08.2011; Aktenzeichen 324 O 203/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.10.2012; Aktenzeichen VI ZR 4/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 203/11, vom 12.8.2011 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- Euro; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über einen strafrechtlichen Vorwurf der Staatsanwaltschaft Köln gegen den Kläger zum Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Köln 27 Js 92/08 zu berichten und/oder berichten zu lassen, wie in dem Artikel "G.-Manager im Visier der deutschen Justiz" vom 6.5.2008 geschehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung bezüglich des Unterlassungsanspruchs i.H.v. 30.000 EUR, im Übrigen i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Direktor des Bereichs Finanzen der G. G. GmbH, der deutschen Tochter des russischen G. Konzerns. Gegen ihn leitete die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren wegen der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ein, nachdem er im September und Dezember 2007 gegenüber dem LG Köln zwei eidesstattliche Versicherungen abgegeben hatte. In der Versicherung vom 5.9.2007 (Anl. B 1) hatte er versichert, niemals Angestellter oder sonst wie hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)der DDR gewesen zu sein. In der weiteren Versicherung vom 4.12.2007 (Anl. B 2) hatte er eingehender die Kontaktaufnahme der Stasibehörde mit ihm sowie seine Tätigkeit für diese dargestellt und erneut versichert, zu keinem Zeitpunkt "hauptamtlich, also als angestellter Mitarbeiter" des MfS tätig gewesen zu sein. Wie sich aus den Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (Anl. B 3, 4) ergibt, war der Kläger jedoch aufgrund einer eigenhändig verfassten Verpflichtungserklärung in der Zeit von Ende 1985 bis Ende 1989 für das MfS tätig, wofür er regelmäßige Geldbeträge erhalten hat.

Das gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Köln eingeleitete Verfahren wurde am 2.12.2008 gem. § 153a StPO nach Zahlung eines Geldbetrages eingestellt.

Die Beklagte, die u.a. den Internetauftritt unter der Adresse www.w.de verantwortet, berichtete in dem unter dem 6.5.2008 datierten Artikel (Anl. K 1) über das Ermittlungsverfahren und fügte diesem Artikel nach Einstellung des Verfahrens einen Nachtrag an, in dem berichtet wurde, dass das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt wurde, wobei erklärend hinzugesetzt wurde, bei einer Einstellung nach § 153a StPO sehe die Staatsanwaltschaft trotz vermuteter Schuld von der Erhebung einer öffentlichen Klage ab.

Der Kläger ließ die Beklagte zunächst unter dem 5.1.2009, dann unter dem 7.2.2011 auffordern, den Artikel von der Internetseite zu nehmen (Anl. K 2,3). Diesen Aufforderungen folgte die Beklagte nicht.

Das LG hat die Klage, mit der der Kläger die Unterlassung des Berichts über den gegen den Kläger gerichteten strafrechtlichen Vorwurf begehrt hat, abgewiesen.

Im Einzelnen wird hierzu auf den Inhalt des angefochtenen Urteils verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt nunmehr, das landgerichtliche Urteil abzuändern und den Kläger zu verurteilen, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über einen strafrechtlichen Vorwurf der Staatsanwaltschaft Köln gegen den Kläger zum Aktenzeichen 27 Js 92/08 zu berichten und/oder berichten zu lassen, wie in dem Artikel "G.-Manager im Visier der deutschen Justiz" vom 6.5.2008 geschehen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Zu den Ausführungen der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch, da die ihn identifizierende Berichterstattung ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt (§§ 823 Abs. 1, 1004 analog i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG).

1. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich um eine Berichterstattung über die wahre Tatsache, dass ein Ermittlungsverfahren lief, welches später eingestellt wurde, und zugleich über den Verdacht, dass der in dem Ermittlungsverfahren erhobene Vorwurf begründet sein könnte. Bei der dem Kläger zur Last gelegten Tat handelte...

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