Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach dem formalen Ausscheiden eines Gesellschafters kann die GmbH eine Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verweigern, wenn die Forderung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden begründet wurde.

2. Die Stundung einer Forderung, die vom Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erfasst wird, ist keine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).

 

Normenkette

GmbHG § 30 Abs. 1 Sätze 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 07.07.2011; Aktenzeichen 332 O 490/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg vom 7.7.2011 - 332 O 490/07, wird zurückgewiesen.

2. Von den Gerichtsgebühren des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt jede Partei selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die einen Kurierdienst betreibt und deren Gesellschafter der Kläger ursprünglich war, auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 28.7.2003 (Anlage K 3) Zahlung für die Übertragung seiner Gesellschaftsanteile an zwei Mitgesellschafter.

Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 28.6.2000 seinen Gesellschaftsanteil (Anlage B 1).

Am 28.12.2001 wurde ein notarieller Vertrag geschlossen, mit dem die Anteile des Klägers an der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die damaligen Gesellschafter St. und K. übertragen wurden (Anlage K 1). Der Kläger war bei der Beurkundung nicht anwesend. Ob er Herrn St. bevollmächtigt hatte, ist streitig. Die Höhe des Kaufpreises und seine Bezahlung "sind in gesonderter Vereinbarung geregelt" (Ziff. III). Eine solche Vereinbarung gab es zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht.

Mit Vertrag vom 28.7.2003 (Anlage K 3) verpflichtete sich die Beklagte, an den Kläger einen Kaufpreis i.H.v. 10.000 EUR zu zahlen. Diesen Betrag stundete der Kläger wegen des Liquiditätsengpasses der Beklagten bis zum 31.12.2005. Im Falle einer Auszahlung sollte er weitere 1.000 EUR als pauschalierte Zinsen erhalten. Am selben Tag bestätigte der Kläger die mündliche Bevollmächtigung des Herrn St. und genehmigte die Anteilsübertragung vom 28.12.2001 (Anlage K 2).

Der Kläger begehrt nunmehr die Auszahlung der 11.000 EUR. Die Beklagte verweigert dies unter Hinweis auf eine bestehende Unterbilanz.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zwar sei der Zahlungsanspruch des Klägers wirksam entstanden, insbesondere nicht sittenwidrig, ihm stehe derzeit jedoch ein Auszahlungsverbot nach § 30 GmbHG a.F. entgegen, da bei der Beklagten eine Unterbilanz vorliege. Der Kläger sei als Gesellschafter zu behandeln, auch wenn die am 28.7.2003 erteilte Genehmigung auf den Zeitpunkt der notariellen Übertragung der Anteile am 28.12.2001 zurückwirke, denn erst mit dieser Genehmigung und dem Abschluss der Vereinbarung zwischen den Parteien sei der Streit über die Gesellschafterstellung des Klägers beigelegt worden. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmen nach § 30 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GmbHG n.F. berufen. Vorliegend sei § 30 GmbHG a.F. anwendbar. Unabhängig davon sei der Anspruch des Klägers nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt. Die Übertragung der Anteile des Klägers sei nicht an die Gesellschaft erfolgt. Die Bürgschaft, die die Beklagte dem Kläger gegenüber zur Absicherung seiner Forderungen gewährt, sei nicht mit einem Vermögenszuwachs bei der Beklagten verbunden. Dass der Kläger der Beklagten die Forderung bis zum 31.12.2005 gestundet hat, könne schon deshalb keine darlehensgleiche Rechtshandlung begründen, da die Stundungsfrist abgelaufen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Anspruch unter Vertiefung seiner Argumentation weiter.

Er meint, sein Anspruch unterliege nicht dem Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG, da er bei Abschluss der Vereinbarung am 28.7.2003 wegen der Rückwirkung seiner Genehmigung der Anteilsübertragung auf den 28.12.2001 nicht mehr Gesellschafter gewesen sei. Die Vereinbarung vom 28.7.2003 habe ein selbständiges Forderungsrecht begründet, das von der Anteilsübertragung unabhängig sei. Dies folge bereits daraus, dass die Beklagte nicht Partei der Anteilsübertragung ist. Er sei folglich wie ein Dritter zu behandeln.

Die Zahlung sei jedenfalls gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erlaubt, weil die Beklagte einen gleichwertigen Erstattungsanspruch gegen die Erwerber seiner Anteile bzw. gegen den aktuellen Alleingesellschafter habe. Zudem hätte seine Stundung die Forderung in ein Gesellschafterdarlehen umgewandelt, dessen Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG erlaubt sei. Beide Ausnahmeregelungen seien seit dem 1.11.2008 anwendbar.

Der Kläger hat in der Berufungsschrift zunächst beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg die Beklagte zu verurteilen, an ihn ...

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