Leitsatz (amtlich)

1. Nach Inkrafttreten des neuen VVG besteht beim Abschluss von neuen Verträgen keine Begehungsgefahr dafür, dass für diese Verträge noch AGB-Klauseln verwendet werden, die mit der ab 1.1. 2008 geltenden gesetzlichen Neuregelung nicht zu vereinbaren sind. Das gilt auch dann, wenn die beklagte Versicherung die als unwirksam und intranparent angegriffenen Klauseln für die Vergangenheit als rechtmäßig verteidigt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat.

2. Den Transparenzanforderungen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 kann es genügen, wenn die Versicherungsnehmer in AVB für Lebensversicherungsverträge auf beigefügte Tabellen verwiesen werden, aus denen der im Fall einer vorzeitigen Bendigung des Vertrages durch Kündigung zu erwartende Rückkaufswert entnommen werden kann.

3. Den Transparenzanforderungen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 genügt es nicht, wenn in den Tabellen nur der sich nach dem in § 176 Abs. 4 VVG a.F. vorge-sehenen Stornoabzug ergebende Auszahlungsbetrag und nicht der nach den anerkannten versicherungsmathematischen Methoden zu ermittelnde Zeitwert = Rückkaufswert aufgeführt wird. Den Versicherungsnehmern wird so die Berechnung des korrekten Rückkaufswerts vorenthalten.

4. Dass der Versicherungsnehmer beim Abschluss eines Vertrages anfallende Provisionen tragen muss, versteht sich nicht von selbst. Eine wirksame Vereinbarung in den AVB setzt daher einen für den Versicherungsnehmer transparenten Hinweis voraus, in dem ihm auch die Art und Größenordnung der Abschlusskosten, mit denen er belastet werden soll, offen zu legen sind. Soweit bei der Erläuterung der Abschlusskosten marginale Punkte wie die Ausstellung des Versicherungsscheins angeführt, die ca. 90 % der Kosten ausmachenden Provisionen aber unterschlagen werden, liegt Intransparenz vor.

5. Die Beweislast für die Angemessenheit der Höhe des von der Versicherung gem. §§ 174 Abs. 4 bzw. 176 Abs. 4 VVG a.F. einbehaltenen Stornoabzugs liegt bei der Versicherung, in AGB darf nicht der Eindruck vermittelt werden, es sei Sache des Versicherungsnehmers, eine etwa bestehende Unangemessen-heit nachzuweisen.

6. Eine Regelung des Stornoabzugs in AVB, bei der der Versicherungsnehmer die Höhe unschwer errechnen kann, ist gleichwohl intransparent, wenn nicht deutlich wird, dass die Versicherung zu einem Stornoabzug nur berechtigt ist, wenn er vereinbart und angemessen ist

7. Die Regelung, nach welcher eine Auszahlung des Rückkaufswerts bei Beträ-gen unter 10 EUR unterbleibt, benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemes-sen. Die Versicherung muss plausibel darlegen, dass eine solche Regelung im Interesse der Versichertengemeinschaft nötig ist und dass durch sie in relevan-tem Umfang Verwaltungsaufwand eingespart werden kann.

 

Normenkette

UKlaG § 1; BGB § 307-309; VVG a.F. § 174; VVG § 176

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 20.11.2009; Aktenzeichen 324 O 1153/07)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 20.11.2009 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten) es zu unterlassen,

(1) bei der Abwicklung von Verträgen über Kapital-Lebensversicherungen mit Verbrauchern sich auf die nachfolgenden Klauseln ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berufen:

[§ 4 Wann können Sie die Versicherung kündigen oder beitragsfrei stellen?

Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswertes

(3)] Nach Kündigung erhalten Sie - soweit bereits entstanden - einen nach § 176 Abs. 3 VVG ... berechneten Rückkaufswert.

Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 13) kein Rückkaufswert vorhanden. (...) Nähere Informationen zum Rückkaufswert und seiner Höhe können Sie Ihrem Versicherungsschein und den Tarifbestimmungen entnehmen.

[(4)] Wir sind berechtigt, bei der Berechnung des Rückkaufswertes die in den Tarifbestimmungen bezeichneten Abzüge vorzunehmen.

[Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung anstelle einer Kündigung

(5) Anstelle einer Kündigung nach Abs. 1 können Sie ... schriftlich verlangen, ganz oder teilweise von Ihrer Beitragszahlungspflicht befreit zu werden. In diesem Fall wird die Versicherungssumme entsprechend unseren Tarifbestimmungen herabgesetzt ...]

Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 13) keine beitragsfreie Versicher...

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