Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 333 O 57/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2020; Aktenzeichen XI ZR 219/19)

 

Tenor

a) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.03.2018, Az. 333 O 57/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

b) Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

c) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

d) Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 176.474,36 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft in Anspruch, die dieser am 22.12.2015 als Geschäftsführer der K.G.S. .... GmbH (Hauptschuldnerin) in deren Geschäftsräumen für einen dieser gewährten Kontokorrentkredit (Anlage K 1) übernommen hatte. Die Klägerin stellte dem Beklagten vor Abschluss der Vereinbarung keine vorvertraglichen Informationen gem. § 312d BGB zur Verfügung. Die Bürgschaftserklärung enthielt keine Belehrung über das Recht zum Widerruf von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte die wirksam übernommene Bürgschaft nicht nach §§ 312b, 312d, 355 BGB wirksam widerrufen habe. Dabei könne offenbleiben, ob der Beklagte Verbraucher im Sinne der zitierten Normen sei und ihm ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB in der ab dem 13.6.2014 geltenden Fassung zugestanden habe, da einem etwaigen Widerrufsrecht jedenfalls der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe. Der Beklagte habe bereits durch sein persönliches Scheiben an die Klägerin vom 7.6.2016, welches dem Landgericht zwar nicht vorliege, auf dessen Inhalt jedoch das anwaltliche Schreiben vom 25. 7. 2016 (Anlage B1) Rückschlüsse zulasse, zu erkennen gegeben, dass er sich an seine Bürgschaftsversprechen gebunden fühle. Hinzu komme der Inhalt des anwaltlichen Schreibens vom 25.7.2016, in welchem der nunmehr anwaltlich beratende Beklagte erneut erklärt habe, dass er die von ihm gestellten Bürgschaften anerkennen werde. Aufgrund dieses anwaltlichen Schreibens habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte bestehende Einwände, wie zum Beispiel ein Widerrufsrecht, nicht geltend machen werde. Er habe sich damit innerhalb eines Zeitraums von ca. 1 1/2 Monaten schriftlich und nach anwaltlicher Beratung dergestalt geäußert, dass er seine Bürgschaftsverpflichtung dem Grunde nach nicht angreifen werde, sondern eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung mit der Klägerin suche. Durch dieses Verhalten habe er auch für ihn selbst erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Klägerin geschaffen, so dass der zwei Monate später erklärte Widerruf treuwidrig erscheine.

Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten.

Er wendet sich gegen die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens. Der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter hätten am 20.7.2016 noch keine Kenntnis von seinem Widerrufsrecht gehabt. Ein Rechtsmissbrauch scheide aus, wenn dem Berechtigten das ihm zustehende Recht nicht bekannt gewesen sei und auch nicht hätte bekannt sein können. Dies habe der BGH bereits mehrfach entschieden. Die Klägerin habe zudem nicht schlüssig dargelegt, dass sie aufgrund des Schreibens vom 25.7.2016 Vertrauen gebildet habe. Insbesondere sei nicht plausibel, dass sie ohne das Schreiben vom 25.7.2016 den Beklagten nachbelehrt hätte, denn sie sei ja davon überzeugt gewesen, dass eine Widerrufsbelehrung nicht erforderlich gewesen sei. Der Inhalt des Schreibens vom 7.6.2016 sei dem Landgericht außerdem nicht bekannt gewesen. Es habe ihn deshalb auch nicht berücksichtigen, geschweige denn davon ausgehen dürfen, dass dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei. Auch ein Zeitmoment sei nicht gegeben, da nicht zutreffend sei, dass die Parteien nach dem 25.7.2016 versucht hätten, eine gütliche Lösung zu finden

Fehlerhaft sei das erstinstanzliche Gericht von einem Verzicht auf die Widerrufsrechte ausgegangen, welcher nach § 312k BGB nicht möglich sei, wenn er sich für den Verbraucher nachteilig auswirke. Selbiges müsse für ein Anerkenntnis gelten.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4.4.2018 zum Aktenzeichen 333 O 57/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Dem Beklagten habe schon kein Widerrufsrecht zugestanden, denn bei der Bürgschaft handele es...

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