Leitsatz (amtlich)

Die Arzneimittelwerbung für eine nicht zugelassene Indikation (§ 3a Satz 2 HWG) setzt voraus, dass die Werbung als eine solche für ein Anwendungsgebiet verstanden wird und nicht bloß zusätzliche Wirkungen des Mittels beschrieben werden.

Wird ein Arzneimittel einschränkungslos zur "Therapie der postmenopausalen Osteoporose" beworben, so geschieht das außerhalb der Zulassung, wenn das Arzneimittel nicht generell, sondern (nur) zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen "zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen", d.h. im Bereich der Wirbel der Wirbelsäule, zugelassen ist.

 

Normenkette

HWG § 3a S. 2; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.11.2005; Aktenzeichen 312 O 745/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 29.11.2005 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des LG vom 11.10.2005 wird mit der Maßgabe erneut erlassen, dass dem Verbotsausspruch vorangestellt wird: "innerhalb der Fachkreise" und dass es im Verbotsausspruch in der Klammer richtig heißt: "Wirkstoff: Ibandronsäure".

Die Antragsgegnerinnen tragen wie Gesamtschuldner die Kosten in beiden Instanzen.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 250.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien sind Pharmaunternehmen, sie vertreiben verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung der Osteoporose bei Frauen nach der Menopause und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerinnen haben für ihr neu zugelassenes Arzneimittel "av-ooo®" in Anzeigen gegenüber Ärzten geworben (Anlage ASt EV 3).

Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Antragsgegnerinnen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

In der "av-ooo"-Anzeige der Antragsgegnerinnen (veröffentlicht in der ÄrzteZeitung Nr. xx vom xx./. xxxx 2005) steht über der Darstellung eines 12-Monate-Bildkalenders mit zwölf Tabletten die Angabe: "12 statt 52 Tabletten im Jahr: Was bevorzugen Ihre Patienten?" Unter dem Bildkalender stehen im Blickfang die Hinweise "Neu" und "Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose" (Anlage ASt EV 3).

Das beworbene Arzneimittel "av-ooo® 150 mg Filmtabletten" der Antragsgegnerinnen (Wirkstoff Ibandronsäure) ist für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen. Eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht belegt worden" (Fachinformation für "av-ooo® 150 mg Filmtabletten": Anlage ASt EV 2, dort unter Ziffer "4.1").

Durch die Beschlussverfügung des LG Hamburg vom 11.10.2005 ist den beiden Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden,

im Wettbewerb das Fertigarzneimittel "av-ooo® 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Ibandronsäure) uneingeschränkt mit der Angabe

"Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose"

zu bewerben, wie in der diesem Beschluss beigefügten Anlage A geschehen (es folgt die Beschlussanlage A = Kopie der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 3)

Mit Urteil vom 29.11.2005 hat das LG seine Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung erneut zu erlassen.

Die Antragsgegnerinnen bitten um Zurückweisung der Berufung.

B. Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Demgemäß ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die einstweilige Verfügung erneut zu erlassen, und zwar mit der Maßgabe wie aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlich.

I. Der Gegenstand des von der Antragstellerin weiter verfolgten Unterlassungsverfügungsantrages ist das einschränkungslose Bewerben des Fertigarzneimittels "av-ooo® 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Ibandronsäure) mit der Angabe: "Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose", wie in der beigefügten Anlage A geschehen (Verbotsanlage A = Kopie der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 3), und zwar selbstverständlich nur innerhalb der Fachkreise. Das ist von der Antragstellerin in der Berufungsverhandlung klargestellt worden.

Soweit es im Verbot der Beschlussverfügung "Ibrandronsäure" hieß, handelt es sich um einen Schreibfehler, denn der Senat berichtigt.

II. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gegen beide Antragsgegnerinnen - unbeschadet der Anwendbarkeit weiterer Vorschriften - aus den §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG, § 3a HWG begründet.

1. Nach § 3a Satz 1 HWG ist die Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Gemäß § 3a Satz 2 HWG findet Satz 1 auch Anwendung, we...

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