Leitsatz (amtlich)

1. Wenn die allein sorgeberechtigte Mutter als Vertreterin des Kindes in dessen Namen die Vaterschaft anfechten will, ist für das Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

2. Wird die Vaterschaft im Namen des minderjährigen Kindes angefochten, ist für den Beginn der Anfechtungsfrist auf die Kenntnis des sorgeberechtigten Elternteils abzustellen.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-St. Georg (Beschluss vom 30.09.2013; Aktenzeichen 984 F 55/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Hamburg-St. Georg, Familiengericht, vom 30.9.2013 (Geschäftsnummer 984 F 55/12 (2)) wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde der Mutter wird die Kostenentscheidung des Familiengerichts in dem genannten Beschluss geändert:

Die Verfahrenskosten der ersten Instanz trägt der Antragsteller.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

1. Der minderjährige Antragsteller Oliver R. begehrt die Feststellung, dass der Beteiligte Wolfgang N. nicht sein Vater ist.

Die Mutter des Antragstellers stammt aus Weißrussland. Dort hatte sie den deutschen Staatsangehörigen. geheiratet, mit dem sie im Jahr 2001 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Zu dieser Zeit lernte sie auch den Beteiligten N. kennen, der mit Herrn R. Schwester verheiratet war. Am 28.9.2004 wurde der Antragsteller geboren. Durch eine im Jahr 2005 ergangene gerichtliche Entscheidung wurde rechtskräftig festgestellt, dass er nicht von Herrn N. abstammt. Biologischer Vater des Antragstellers ist nach Angaben der Mutter ein namentlich nicht genannter weißrussischer Staatsangehöriger, den sie seinerzeit im Urlaub kennen gelernt hatte; sein aktueller Aufenthalt sei unbekannt.

Nachdem die Ehe der Mutter mit Herrn R. gescheitert und die Ehefrau des Beteiligten N. verstorben war, nahmen beide Ende 2005/Anfang 2006 eine intime Beziehung zueinander auf. Inwieweit es zu einem familiären Zusammenleben kam, ist streitig. Unstreitig trafen die drei Beteiligten aber regelmäßig zusammen und unternahmen in der Folgezeit jedes Jahr zwei bis drei mehrwöchige Urlaubsreisen zusammen.

Die Ehe der Mutter mit Herrn R. wurde im Jahr 2006 rechtskräftig geschieden.

Im Jahr 2008 bekam die Mutter Post von der Ausländerbehörde. Nach Darstellung der Mutter ging es um Papiere für den Antragsteller, nach den Angaben des Beteiligten N. stand die Aufenthaltserlaubnis der Mutter infrage. Jedenfalls begaben sich die Mutter und der Beteiligte N. im Zusammenhang mit den Anforderungen der Ausländerbehörde zum Standesamt Neustadt am Rübenberge, wo der Beteiligte N. mit Zustimmung der Mutter die Anerkennung der Vaterschaft zum Antragsteller erklärt hat (Anerkennungsurkunde vom 17.12.2008 Blatt 4 der Akte). Die Mutter hatte zu der Zeit noch die weißrussische Staatsangehörigkeit. Eine Sorgerechtserklärung wurde nicht abgegeben.

Anschließend beantragte und erhielt die Mutter für den Antragsteller einen deutschen Ausweis.

Zunächst setzten die Beteiligten ihre Beziehung wie zuvor fort, dann kam es im Jahr 2011 zur Trennung zwischen der Mutter und dem Beteiligten N. (im Folgenden: Vater).

Nachdem zuerst beim AG Nienburg und sodann - Mutter und Kind waren nach Hamburg umgezogen - beim Familiengericht in Hamburg um den Umgang des Vaters mit dem Antragsteller gestritten wurde, hat die Mutter im Januar 2012 gegen den Vater Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs zu Lasten des Antragstellers erstattet und im Februar 2012 in Vertretung des Antragstellers beim Familiengericht das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren eingeleitet. Seit dem Jahr 2012 besitzt die Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Vater ist durch die Staatsanwaltschaft Verden am 11.4.2012 eingestellt worden (Blatt 158 ff. der Akte). Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Mutter anschließend zurückgenommen.

Die Mutter hat als Vertreterin des Antragstellers beim Familiengericht vorgetragen, die Anfechtungsfrist sei gewahrt. Sie - die Mutter - habe bei dem standesamtlichen Termin in Neustadt aufgrund von Sprachschwierigkeiten nicht verstanden, dass sie ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung abgegeben habe. Darüber sei sie erst im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzungen um den Umgang im Jahr 2011 von ihrer Verfahrensbevollmächtigten aufgeklärt worden. Der Vater habe die Standesbeamtin persönlich gekannt und mit ihr gemeinsame Sache gemacht. Abgesehen davon könne die Anfechtungsfrist erst mit der Bestellung eines Ergänzungspflegers beginnen, welche hier noch gar nicht erfolgt sei. Weiter ist geltend gemacht worden, die Anfechtung diene dem Kindeswohl, weil gegen den Vater wegen sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Antragstellers ermittelt werde. Zwischen dem Antragsteller und dem Vater bestehe auch keine familiäre Beziehung.

Für den Antragsteller ist beim Familiengericht beantragt worden, festzustellen, dass er nicht vom Antragsgegner abstammt; für ihn einen Ergänzungspfleger zu bestellen (Schriftsatz vom 4.7.2012, Blatt 12...

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