Leitsatz (amtlich)

Zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles i.S.d. § 105 Abs. 1 SGB VII gehört, wie schon nach der alten gesetzlichen Regelung nach § 637 Abs. 4 RVO, dass sich der Vorsatz des Täters – zumindest in der Form des dolus eventualis – auch auf den Verletzungserfolg erstrecken muss (Anschluss an OLG Celle v. 6.10.1999, VersR 99, 1550 ff.).

 

Normenkette

SGB VII § 105 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 328 O 155/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 28, vom 14.8.2001 – G.-Nr.: 328 O 155/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.300 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Die Entscheidung unterliegt gem. § 26 Ziff. 5 EGZPO altem Berufungsrecht.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten aus einem Vorfall, der sich am 17.11.1998 auf dem Pausenhof des Gymnasiums J. in H. ereignete.

Der damals 12-jährige Kläger ging zum Zeitpunkt des Vorfalls in die Klasse 7b. Der Beklagte war damals 16 Jahre alt und Schüler der Klasse 10c. Der Kläger ärgerte in der zweiten großen Pause in spielerischer Art und Weise eine Gruppe von Schülern aus der 10. Klasse. Es handelte sich um ein Ärgern, wie es schon öfters zwischen den Schülern vorgekommen war. Dieses Ärgern hatte stets in einer Form von gegenseitigem Hänseln und Kitzeln stattgefunden und war stets spielerisch abgelaufen, ohne dass es je zu ernsteren Auseinandersetzungen gekommen war. Plötzlich kam der Beklagte auf den Kläger zu und sagte in etwa: „Jetzt ist aber Schluss.” Daraufhin lief der Kläger vor dem Beklagten weg, und zwar auf dem zwischen einem Fußballtor und dem Zaun des Pausenhofs befindlichen Weg. Dort stellte sich ihm ein Mitschüler des Beklagten aus der Klasse 10c entgegen. Der Kläger drehte sich um und wollte zurücklaufen. Dort versperrte ihm der Beklagte den Weg, so dass der Kläger zwischen dem Tor und dem Zaun „gefangen” war. In dieser Situation kam es zu einer Handlung des Beklagten, die zur Folge hatte, dass der Kläger sich den rechten Arm brach. Streitig ist, ob der Beklagte den Kläger lediglich schubste oder ob er ihn gegen den etwa ein Meter entfernten Maschendrahtzaun warf. Im Anschluss daran half der Beklagte dem Kläger auf die Beine, entschuldigte sich und kümmerte sich um ihn.

Der Kläger wurde mit einem Krankenwagen in das Universitätskrankenhaus E. gebracht, wo er noch am gleichen Tag operiert wurde. Diagnostiziert wurde eine dislozierte subcapitale Humerusfraktur rechts Typ Aitgen I; während der Operation wurde am Arm eine Bohrdrahtosteosynthese vorgenommen. Die stationäre Behandlung dauerte vom 17. bis 23.11.1998. In der Zeit vom 7. bis 11.1.1999 war der Kläger erneut in stationärer Behandlung. Unter Vollnarkose wurden ihm die im November 1998 eingesetzten Drähte entfernt. Bis Ende Juni 1999 wurden dem Kläger krankengymnastische Behandlungen verordnet (Anlage K 10). Im ärztlichen Abschlussbericht vom 10.8.1999 (Anlage K 10) vermerkte der Arzt für Orthopädie Dr. K., dass eine abschließende Beurteilung über die infolge der Verletzung eingetretene Minderung der Erwerbstätigkeit nach Abschluss des Wachstums erfolgen solle; derzeit wäre sie mit allenfalls 10 % einzuschätzen.

Am 9.12.1998 erstattete die Mutter des Klägers gegen den Beklagten Strafanzeige (Anlage K 11). Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren zunächst gem. § 45 Abs. 1 JGG ein, wogegen die Mutter des Klägers Beschwerde einlegte (Anlage K 12). Daraufhin führte die Staatsanwaltschaft mit dem Beklagten ein Ermahnungsgespräch und sah gem. § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung der Tat ab (vgl. Anlagen B 2, B 3). In der Begründung wies die Staatsanwaltschaft u.a. darauf hin, dass der Beklagte sich gleich nach dem Vorfall beim Kläger entschuldigt und ihm geholfen habe und ihm zwei Tage nach dem Vorfall ein Buch geschenkt habe.

Die Landesunfallkasse erkannte den Vorfall vom 17.11.1998 als Versicherungsfall an und kam für die dem Kläger entstandenen Heilbehandlungskosten auf.

In der Zeit vom 17.11.1998 bis 24.3.1999 unternahm die Mutter des Klägers verschiedene Taxifahrten und wandte hierfür 1.003,20 DM auf (vgl. Anlagenkonvolut K 3). Sie kaufte dem Kläger eine Hose mit Gummibund sowie ein Sweatshirt für insgesamt 218,90 DM (Anlage K 5). In der Zeit von Januar bis Juni 1999 erhielt der Kläger Nachhilfeunterricht, wofür ein Honorar i.H.v. 1.240 DM gezahlt wurde (Anlage K 6).

Der Haftpflichtversicherer des Beklagten lehnte Schadensersatzansprüche des Klägers unter Hinweis auf die §§ 104, 105 SGB VII ab (vgl. Anlage B 5).

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn vorsätzlich verletzt. Er habe ihn von hinten an den Oberarmen hochgehoben, so dass seine Füße den Boden nicht mehr berührt hätten. Sodann habe er ihn gegen den Maschendrahtzaun ge...

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