Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 82/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.12.2022, Az. 312 O 82/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen behaupteter unzulässiger Abschaltvorrichtungen.

Die Klägerin erwarb am 05.04.2016 von der Fa. A. Hamburg GmbH den von der Beklagten hergestellten PKW Audi Q 7 3.0 TDI mit 200 kW, Motor EA 897, Schadstoffklasse Euro 6, als Gebrauchtwagen zu einem Preis von 82.351 EUR. Die Laufleistung betrug bei Erwerb 9.000 km und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Berufungsverhandlung 177.546 km.

Das Fahrzeug weist ein sogenanntes Thermofenster auf, welches bewirkt, dass die Abgasnachbehandlung außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert wird. Im Detail lag der Temperaturbereich der aktiven Abgasrückführung (AGR), d.h. der Bereich, in dem die AGR tatsächlich aktiv ist, zum Zeitpunkt des Erwerbs in einem repräsentativen Betriebspunkt zwischen ca. -12 °C und ca. 42 °C. Innerhalb dieses Temperaturfensters findet zwischen ca. 0 °C und ca. 42 °C in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur keine aktive Veränderung der AGR-Rate durch das Thermofenster statt. Für den Motor des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs bestand zum Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung ohne die zuvor beschriebene temperaturabhängige Regelung der Abgasrückführung das Risiko plötzlicher und außergewöhnliche Schäden des Motors sowie eines nicht sicheren Betriebs des Fahrzeugs. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.11.2023 verwiesen.

In der Rückrufdatenbank des Kraftfahrbundesamtes (KBA) ist unter dem Herstellercode 23X6 eine Rückrufaktion wegen der "Entfernung unzulässiger Abschaltvorrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems" vermerkt, von der unter anderem ein Audi Q 7 3.0 Euro 6 betroffen war (Anlage DB 2). Zudem gibt es bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen vom KBA angeordneten Rückruf, wobei dessen Grund zwischen den Parteien streitig ist.

Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über mehrere unzulässige Abschaltvorrichtungen verfüge. Im Einzelnen weise das Fahrzeug nach Bewertung des KBA eine unzulässige Aufwärmstrategie auf, die im Wesentlichen bei Durchlaufen des Prüfstandverfahrens des NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) - hingegen nicht im realen Fahrbetrieb - aktiviert werde, und das Stickoxidemissionsverhalten des Fahrzeugs auf dem Prüfstand gegenüber dem Emissionsverhalten im normalen Fahrbetrieb verbessere. Als Stütze für diese Behauptung hat die Klägerin die in der Rückrufdatenbank des KBA bezeichnete Rückrufaktion genannt; auch seien die beim EA189 erzielten Entwicklungsergebnisse 1:1 auf die 3.0 l Aggregate der Volkswagen AG übertragen worden. Ferner variiere bei 3.0 l Motoren von Fahrzeugen der Unternehmen VW, Audi und Porsche nach einem "Statement" gegenüber US-Behörden die Einspritzmenge von "AdBlue" in das Abgassystem je nachdem, ob das Fahrzeug gerade getestet werde, wodurch die NOx-Reduktion unter normalen Fahrbedingungen geringer ausfiele.

Das Thermofenster sei ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung, da die Abgasnachbehandlung des Fahrzeugs - so die Klägerin in erster Instanz - außerhalb eines Temperaturfensters von 17- 33 °C reduziert werde und dies zum Motorschutz nicht notwendig sei. Der damit verbundene Gesetzesverstoß habe sich der Beklagten aufdrängen müssen. Es sei davon auszugehen, dass die Angaben im Beschreibungsbogen gegenüber dem KBA mit den zuständigen Entwicklern und ihren Vorgesetzten abgestimmt gewesen seien. Zudem sei davon auszugehen, dass die Installation der unzulässigen Abschalteinrichtungen mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten der Beklagten erfolgt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 16.03.2021 und die Replik vom 24.06.2021 verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 48.638,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q7, FIN ... zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeuges seit dem 21.03.2021 im Annahmeverzug befindet;

3. festzustellen, dass die Beklagte verp...

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