Leitsatz (amtlich)

Auch nach Wegfall von Zugabeverordnung und Rabattgesetz können Zugaben unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens zu beanstanden sein. Dies gilt namentlich, wenn sich das Angebot in erster Linie an Kinder und Jugendliche und damit besonders schutzbedürftige Personengruppen richtet.

 

Normenkette

UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 407 O 154/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen I ZR 28/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg v. 8.1.2002 – 407 O 154/01 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, die Zeitschrift „…” zusammen mit einer auf der Titelseite befestigten Sonnenbrille zu einem auf dem Heft aufgedruckten Einzelverkaufspreis von 4,50 DM anzubieten, anzukündigen und zu vertreiben und/oder anbieten, ankündigen oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Heftfolge Nr. 0108 August 2001 mit einer auf dem Heft befestigten schwarzen oder lilafarbenen Sonnenbrille, wie aus den Anlagen A und B beigefügten Ablichtungen ersichtlich;

2. der Klägern Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die Zeitschrift „..” Heftfolge Nr. 0108 August 2001 gem. Ziff. I.1. angeboten, angekündigt oder vertrieben hat, aufgeschlüsselt nach Zeitraum und Anzahl der verkauften Exemplare;

II. es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der ihr durch die Handlungen gem. Ziff. I. 1. entstanden ist oder noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 263.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Unterlassung wegen Verstoßes gegen Vorschriften der Preisbindung, behaupteten übertriebenen Anlockens und unzulässigen verdeckten Koppelungsangebots.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Zeitschriftenmarkt. Die Klägerin vertreibt die Zeitschrift „B.Y.M.” (Anlage K1), die sich an Mädchen und junge Frauen richtet. Nach den für II/2001 ermittelten IVW-Zahlen beträgt die verkaufte Auflage jeweils rund 225.000 Stück. Die Beklagte bietet die Zeitschrift „…” an, die sich an weibliche Teenager richtet. Der gebundene Verlagspreis betrug ursprünglich 4,50 DM und heute 2,30 Euro. Die Auflage lag im zweiten Halbjahr 2001 jeweils bei etwa 181.000 Exemplaren.

In ihrer Augustausgabe 2001 brachte die Beklagte die Zeitschrift „…” mit einer auf der Titelseite aufgebrachten Sonnenbrille, erhältlich in schwarzer oder pinker Farbe unter Beibehaltung des normalen Verkaufspreises von 4,50 DM auf den Markt. Im Zusammenhang mit der Sonnenbrille heißt es auf dem Titelblatt „EXTRA! Designer-Brille”. Auf S. 3 der Zeitschrift befindet sich ein redaktioneller Beitrag, in dem das Publikum unter den Überschriften „Mega-Trend!”, „Deine Designer-Brille” und „Lock ihn an”, Tipps erhält, wie unter Einsatz der Brille Jungs angelockt werden können.

Auf vorprozessuale Abmahnung gab die Beklagte zunächst eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, die sie unter die auflösende Bedingung der Abschaffung der Zugabeverordnung stellte.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung I. Instanz gab die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.12.2001 (Bl. 28 d.A.) folgende weitere strafbewehrte Unterlassungserklärung ab:

„Wir, die N.S.V. GmbH (Beklagte) verpflichten uns ggü. G.J. AG & Co. KG (Klägerin) es bei Meidung einer Vertragsstrafe, die für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung von G. + J. AG & Co. angemessen festzusetzen und bei Streit über die Angemessenheit vom LG Hamburg zu überprüfen ist, zu unterlassen, die zusammen mit der Zeitschrift „…” Heft 0108 (August 2001) feilgehaltene und vertriebene Brille als „Designerbrille” zu bezeichnen.

Diese Erklärung nahm die Klägerin mit Schreiben vom 6.3.2002 an.

Die Klägerin hält den Vertrieb des streitgegenständlichen Heftes nebst Sonnenbrille auch nach Aufhebung der Zugabeverordnung für unzulässig und hat vorgetragen, die Beigabe der Sonnenbrille stelle sich als wettbewerbswidrig unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens dar. Der reguläre Kaufpreis für eine vergleichbare Sonnenbrille betrage etwa 30 DM (Anlage K4, K5) und liege damit um ein vielfaches über dem Heftpreis. Die Behauptung der Beklagten, für die Sonnenbrillen 0,78 DM aufgewendet zu haben, werde bestritten.

Außerdem komme es darauf auch nicht an, weil sie teurer wirkten. Sonnenbrillen seien kein funktionaler Bestandteil derartiger Zeitschriften. Das Angebot sei in hoh...

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