Entscheidungsstichwort (Thema)

Rapidshare

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Geschäftsmodell, das aufgrund seiner Struktur durch die Möglichkeit des anonymen Hochladens in Pakete zerlegter, gepackter und mit Kennwort gegen den Zugriff geschützter Dateien der massenhaften Begehung von Urheberrechtsverletzungen wissentlich Vorschub leistet, kann von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden. Die von dem BGH zum Schutze des Dienstbetreibers vorgesehenen Begrenzungen von Prüfungspflichten können insbesondere dann nicht Platz greifen, wenn der Betreiber ihm zumutbare und nahe liegende Möglichkeiten, die Identität des Nutzers zum Nachweis einer etwaigen Wiederholungshandlung festzustellen, willentlich und systematisch ungenutzt lässt.

2. Lässt der Betreiber eines Sharehosting-Dienstes in Kenntnis begangener Urheberrechtsverletzungen weiterhin einschränkungslos eine anomyme Nutzung seines Dienstes zu, schneidet er dem verletzten Urheber sehenden Auges den erforderlichen Nachweis wiederholter Begehungshandlungen ab, welchen dieser benötigt, um auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung seine Rechte erfolgreich und wirksam durchsetzen können. In diesem Fall kann sich der Betreiber zur Vermeidung seiner Verantwortlichkeit als Störer unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr auf eine ansonsten gegebenenfalls bestehende Unzumutbarkeit umfangreicher Prüfungspflichten berufen.

 

Normenkette

UrhG §§ 19a, 97 Abs. 1; MarkenG § 14 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.03.2007; Aktenzeichen 308 O 19/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 9.3.2007 teilweise - insoweit unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 11.1.2007 und Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags - abgeändert und der Tenor der einstweiligen Verfügung vom 11.1.2007 wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegner werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Rahmen des Online-Dienstes www.rapidshare.com die Computerprogramme "IBM Lotus Organizer" gemäß Anlage I zur einstweiligen Verfügung vom 11.1.2007 oder "IBM Total Storage Productivity Center V 3.2.1 Agent, AIX, Multilingual" gem. Anlage II zu der genannten einstweiligen Verfügung zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder vervielfältigen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.

Die weitergehende Berufung der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Antragsgegner wie Gesamtschuldner 80 %, die Antragstellerin trägt 20 %.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist Herstellerin von Hard- und Softwareprodukten für den privaten und gewerblichen Anwendungsbereich, die sie weltweit vertreibt.

Zu ihrer Produktpalette gehört u.a. die Software IBM Lotus Organizer (Anlage AS 1 bis AS 3 sowie Anlage I). Hierbei handelt es sich um ein Computerprogramm zur Terminplanung. Weiterhin gehört zur Produktpalette der Antragstellerin die Softwarefamilie "IBM TotalStorage Productivity Center", die ein Teil des Softwarepakets "Tivoli" ist. Sie erlaubt es, verteilte Speicher-Infrastrukturen aufzubauen, zu verwalten und darauf zuzugreifen. Die Software "IBM Total Storage Productivity Center V 3.2.1 Agent, AIX, Multilingual" ist ein selbständiger Teil dieser Softwarefamilie. Es handelt sich hierbei um eine komplexe Software für den geschäftlichen Anwendungsbereich, die über Vertragshändler vertrieben wird (Anlagen AS 5 bis AS 9).

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke Nr. 900316 "Lotus", die u.a. in Klasse 9 für Computerprogramme geschützt ist; weiterhin ist die Antragstellerin Inhaberin der Gemeinschaftsmarke Nr. 3630282 "IBM" sowie der Gemeinschaftsmarke Nr. 2082147 "Totalstorage" (Anlage AS 10).

Die Antragsgegner betreiben unter der Bezeichnung "Rapidshare" einen sog. Sharehosting-Service. Sie stellen dabei dritten Personen Serverplatz zur Hinterlegung von Dateien zur Verfügung, die diese Nutzer auf ihre Server vollautomatisch hochladen können. Diese Daten können anschließend von anderen Internet-Nutzern zur Nutzung herunter geladen werden (Anlage AS 11). Die Grundkonzeption des Dienstes "Rapidshare" war nach Darstellung der Antragsgegner diejenige eines reinen Hosting-Dienstes, durch welchen lediglich Webspace zur Verfügung gestellt werden sollte. Gedacht war insbesondere an nicht versierte Internet-Nutzer, die mittelgroße (2 bis 100 MB), private Datenmengen wie Lichtbilder bzw. Videos, die sich wegen ihres Volumens für den Versand per E-Mail nicht eigneten, Freunden und Bekannten zugänglich machen wollten. Für diese Nutzergruppe sollte das Hochladen von Dateien so unkompliziert wie möglich gestaltet werden. Die hoch geladenen Dateien sollten ausschließlich für den jeweiligen Nutzer gespeichert werden, nicht jedoch einer unbeschränkten Zahl von Personen zur Verfügung gestellt oder über Suchf...

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