Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 15.04.2011; Aktenzeichen 324 O 113/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2020; Aktenzeichen VI ZR 476/19)

BGH (Urteil vom 13.11.2012; Aktenzeichen VI ZR 330/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 15.4.2011 - 324 O 113/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 Euro, hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung, es zu unterlassen, über eine Straftat des Klägers aus dem Jahr 1981 unter Nennung seines Nachnamens zu berichten. Der Kläger wurde im Jahr 1982 wegen Mordes zu einer lebenslangenFreiheitsstrafe verurteilt. Er verbüßte eine siebzehnjährige Haftstrafe und wurde vor mehr als elf Jahren aus der Haft entlassen.

Das Magazin ".........." berichtete in den Jahren 1982 und 1983 in drei Artikeln über das Strafverfahren gegen den Kläger, den so genannten ................"-Prozess (Anlagenkonvolut K 2). In den Beiträgen wurden der Vor- und Nachname des Klägers genannt.

Frühestens seit April 1999 ist das so genannte Archiv des Magazins "Der ..........." in einem (bis auf die jeweils letzten zwei Wochen) kostenlosen Online-Angebot der Beklagten mit der URL "www.............de" abrufbar. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den Jahren 1999 bis 2002 stellte sie die erwähnten Artikel dort im Rahmen der Öffnung des elektronischen Archivs der "..........."-Berichterstattung zum Abruf bereit. Nach Darstellung des Klägers erfuhr dieser im Jahr 2009 von den Online-Veröffentlichungen. Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 1.2.2010 an die Beklagte verlangte der Kläger die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung unter anderem hinsichtlich des streitgegenständlichen Unterlassungsantrags (Anlage K 4). Die Beklagte lehnte dies ab und hält die Beiträge unverändert in ihrem Internetauftritt zum Abruf bereit. Bei Eingabe des Namens ".........." in eine Internet-Suchmaschine, zum Beispiel unter "www.google.de", werden die Artikel über den so genannten "..........."-Prozess an den ersten Stellen angezeigt.

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 28.4.2011 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 16.5.2011 Berufung eingelegt. Sie hat eine Berufungsbegründung vor Ablauf der verlängerten Begründungsfrist eingereicht.

Die Beklagte rügt, dass die Begründung des erstinstanzlichen Urteils auf Fehler bei der Bestimmung derjenigen rechtlichen Maßstäbe schließen lasse, die einer Abwägung zu Grunde zu legen seien, und trägt im Wesentlichen vor:

Im Hinblick darauf, dass der Bundesgerichtshof online-Archive als "passive Darstellungsplattform" einstufe, seien die Maßstäbe für Verbreitungshandlungen grundsätzlich nicht anwendbar.

Die angefochtene Entscheidung beruhe aber auch auf einzelnen Abwägungsfehlern:

Die eher justizkritische Tendenz der Berichterstattung schließe eine Stigmatisierung des Klägers aus und erwecke allenfalls Verständnis für ihn.

Da sich der Unterlassungsanspruch in die Zukunft richte, sei die zeitliche Distanz zwischen der Tat und der Öffnung des elektronischen Archivs ohne Bedeutung.

Der Kläger habe durch seine Mitwirkung an dem Buch von .......... mit dem Titel....... - ......... der ..........." das Interesse an seinen Taten aufrechterhalten, auch wenn sie diese auch seine Person anonymisiert worden sei.

Das Landgericht habe verkannt, dass der Verbreitungsgrad nach höchstrichterlichen Vorgaben gering sei, wenn Beiträge nicht als aktuelle Berichterstattung auf den Eingangsseiten eines Anbieters enthalten seien. Im Verhältnis zur Beklagten gelte dies auch dann, wenn unterstellt werde, dass das Auffinden der Artikel über Suchmaschinen zu einer erheblichen Breitenwirkung führe.

Denn die Beklagte sei für die Auswirkung von Suchmaschinen nicht verantwortlich und dem Kläger stehe es frei, Unterlassungsansprüche gegenüber den Betreibern von Suchmaschinen geltend zu machen.

Außer Acht gelassen seien ferner die Auswirkungen der Verurteilung auf die Meinungsfreiheit und das berechtigte Interesse der interessierten Öffentlichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren und zu ermitteln, wer der Täter gewesen sei.

Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht unterstellt, dass eine einmalige Überprüfung der alten Beiträge bei der Öffnung der elektronischen Archive mit weniger personellem und zeitlichem Aufwand möglich sei als die fortlaufenden Prüfung aktueller Berichterstattung, die notfalls auf elektronische Unterstützung zurückgreifen könne.

Die Einrede der Verjährung sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Das Argument, den Kläger treffe keine ...

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