Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für das gerichtliche Genehmigungsverfahren zur Unterbringung minderjähriger Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

Für das gerichtliche Genehmigungsverfahren zur Unterbringung minderjähriger Kinder ist gemäß den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 1631b BGB das FamG, weil es sich um eine Familiensache handelt.

 

Normenkette

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1631b S. 1; FGG § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Aktenzeichen 108 VIII B 18278)

 

Tenor

Das AG Hamburg - FamG - ist zuständig für die Entscheidung über die von der Pflegerin beantragte Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der minderjährigen C B, geb ...1991.

 

Gründe

1. Die betroffene C B ist nichtehelich geboren. Mit Beschluss vom 5.4.1993 hob das AG Hamburg, Vormundschaftsgericht die nach § 1706 BGB a.F. damals bestehende Pflegschaft auf; damit übte die Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind alleine aus.

Mit Beschluss vom 27.4.2004 richtete das AG Hamburg - FamG - für die betroffene Jugendliche eine Pflegschaft ein mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht und wählte die Beteiligte zu 2. zur Pflegerin aus. Deren Bestellung erfolgte am 26.8.2004.

Mit Schreiben vom 2.5.2007 beantragte die Beteiligte zu 2. beim AG Hamburg, Vormundschaftsgericht, die Unterbringung der betroffenen Jugendlichen in einer geschlossenen Einrichtung der Jugendhilfe für zunächst 6 Monate gerichtlich zu genehmigen.

Nachdem der Beteiligten zu 2. zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, erklärte sich das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 9.5.2007 für unzuständig und verwies die Entscheidung über den Unterbringungsantrag vom 2.5.2007 an das AG Hamburg - FamG -.

Nachdem auch das FamG der Beteiligten zu 2. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, erklärte dieses sich mit Beschluss vom 22.5.2007 ebenfalls für unzuständig und legte dem Hanseatischen OLG die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben, da sich sowohl die Vormundschaftsgerichtsabteilung wie auch die FamGabteilung des AG Hamburg durch Beschlüsse vom 2.5. bzw. 22.5.2007 jeweils für funktionell unzuständig erklärt haben.

Zuständig ist gemäß den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 1631b BGB das FamG, weil es sich um eine Familiensache handelt.

Der Senat hält insoweit nicht mehr an seiner in dem Beschluss vom 10.7.2002 zum Az. 2 WF 79/02 geäußerten Rechtsauffassung fest.

In Abweichung auch zu den Entscheidungen des OLG Hamburg, 12. Zivilsenat vom 4.9.1998 = MDR 1999, 164, OLG Brandenburg vom 29.9.2003 = FamRz. 2004, 815 sowie des OLG Dresden vom 8.7.2005 = JAmt 2006, 161 erachtet der Senat nunmehr auch für eine Entscheidung eines Unterbringungsantrages des Vormundes oder Pflegers für ein minderjähriges Kind das FamG für funktionell zuständig.

Die Gegenmeinung, wonach sich aus den abweichenden Formulierungen in § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a und Abs. 1 Satz 3 FGG eine unterschiedliche Zuständigkeit des FamG bzw. des Vormundschaftsgerichtes ergeben soll, weil lediglich für Unterbringungsverfahren nach § 1631b BGB - also solche auf Antrag der Eltern oder eines Elternteiles - eine Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes nicht gegeben sei, hingegen dessen Zuständigkeit weiterhin bestehe für Unterbringungsverfahren, die auf Antrag eines Vormundes oder Pflegers eingeleitet worden sind, weil die Vorschriften der §§ 1800, 1915 BGB in § 70 Abs. 1 Satz 3 FGG - im Gegensatz zu § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FGG - nicht genannt ist, vermag nicht zu überzeugen.

In der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf des Kindschaftsreformgesetzes des Bundestages ist unter Nr. 35 zu Art. 1 Nr. 36 - Erweiterung der Zuständigkeit des FamG - (S. 159 der BT-Drucks. 13/4899) ausgeführt:

"Im Bereich der elterlichen Sorge werden im Wesentlichen die noch beim Vormundschaftsgericht bestehenden Zuständigkeiten auf das FamG übertragen. Demgegenüber soll für die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen bei Unterbringung eines Kindes nach § 1631b und für bestimmte Rechtsgeschäfte die Genehmigungszuständigkeit beim Vormundschaftsgericht verbleiben. Eine solche Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts in Teilbereichen mit den daraus sich ergebenden Abgrenzungsproblemen zum Zuständigkeitsbereich des FamG ist sachlich nicht geboten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das FamG einerseits bei Gefahr für des Kindes Wohl alle erforderlichen Maßnahmen auch als Einzelmaßnahmen treffen kann, während die auch zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung vorgesehenen Genehmigungs- und Überwachungsfunktionen für bestimmte Einzelgeschäfte und Handlungen der sorgeberechtigten Eltern weiterhin vom Vormundschaftsgericht getroffen werden sollen.

Sachlich ist es vielmehr erforderlich, alle mit den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern zusammenhängenden Fragen, insbesondere diejenigen Fragen, die mit der Ausübung der elterlichen Sorge im Einzelnen zusammenhängen, dem FamG zu übertragen.

Im Bereich der elterlichen...

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