Leitsatz (amtlich)

1. Begehrt der Antragsteller das Verbot einer konkreten Verletzungsform und begründet den Antrag alternativ mit mehreren tatsächlichen Irreführungsaspekten, so ist die Frage, ob aufgrund der Vorkenntnis kerngleicher Verletzungsformen die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt ist, hinsichtlich jedes geltend gemachten tatsächlichen Irreführungsaspekts isoliert zu beurteilen.

2. Hat der Antragsteller seinen auf das Verbot einer konkreten Verletzungsform gerichteten Antrag alternativ mit mehreren tatsächlichen Irreführungsaspekten begründet und verpflichtet sich der Antragsgegner strafbewehrt zur Unterlassung, wobei er auf einen der geltend gemachten Irreführungsaspekte Bezug nimmt, jedoch einen anderen ebenfalls geltend gemachten Irreführungsaspekt in Abrede stellt, so ist die Unterwerfung gleichwohl geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen.

3. Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO können Kosten, die durch eine verspätete Erledigungserklärung des Antragstellers verursacht worden sind, zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden. So verhält es sich mit den außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens, wenn die nach Zustellung der einstweiligen Verfügung erklärte Unterwerfung die Wiederholungsgefahr beseitigt hat und der Antragsteller ungeachtet der Aufforderung des Antragsgegners, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, das Verfahren erst für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner den bei rechtzeitiger Erledigungserklärung unnötigen Widerspruch eingelegt hat.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 11.07.2012; Aktenzeichen 315 O 590/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zur Geschäfts-Nr. 3 W 72/12 wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 11.7.2012 (Geschäfts-Nr. 315 O 590/11) abgeändert. Die Verfahrenskosten werden wie folgt verteilt: Die gerichtlichen Kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Beschwerde werden ebenfalls gegeneinander aufgehoben, wobei sich der Beschwerdewert auf die Summe der erstinstanzlich angefallenen Kosten beläuft.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die im Rahmen der Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffende Beurteilung der Erfolgsaussichten führt zu dem Ergebnis, dass der Verbotsantrag zunächst zulässig und begründet war (nachfolgend 1.), dass die Begründetheit jedoch bereits vor Einlegung des Widerspruchs infolge Unterwerfung der Antragsgegnerin entfallen ist (nachfolgend 2.). Hieraus ergibt sich sodann, weil die Antragstellerin verspätet für erledigt erklärt hat, die tenorierte Kostenverteilung (nachfolgend 3.).

1. Der von der Antragstellerin verfolgte Antrag, der Antragsgegnerin zu verbieten, für das Präparat G. mit der Angabe zu werben

"HPV-Impfung

+ Krebsfrüherkennungsuntersuchung

= bestmöglicher Schutz vor Zervix-Karzinom6"

wie geschehen in dem als Anlage (Anm.: Anlage AST 1) beigefügten Werbefolder

war bei Einreichung des Antrags zulässig und begründet.

a) Die Antragstellerin hat zur Begründung des Antrags vorgebracht, es handele sich um eine unzulässige Alleinstellungswerbung und zudem sei der Inhalt der Fußnote zum Nachweis der durch diese angeblich belegten Behauptung ungeeignet. Diese beiden Begründungselemente hat die Antragstellerin alternativ vorgetragen und hiermit - in Übereinstimmung mit dem hinsichtlich der einen oder anderen inhaltlichen Beanstandung nicht weiter spezifizierten Antrag - zum Ausdruck gebracht, dass sie die Auswahl des einschlägigen Begründungselements dem Gericht überlasse. Diese Vorgehensweise ist zulässig, weil es sich - wie der BGH entschieden hat (BGH GRUR 2012, 184 - Branchenbuch Berg) - bei dem Angriff auf eine konkrete Verletzungsform auch dann um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt, wenn zur Begründung des Verbotsantrags mehrere tatsächliche Irreführungsgesichtspunkte angeführt werden.

b) Für diesen Antrag bestand jedenfalls unter dem Aspekt des irreführenden Fußnotenhinweises die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG. Die von der Antragsgegnerin eingewandte Tatsache, die Antragstellerin habe in Gestalt des von ihr im Jahr 2010 anderweitig angegriffenen Werbeblattes gem. Anlage AG 4 eine kerngleiche Verletzung gekannt, vermag die Dringlichkeitsvermutung nicht zu widerlegen. Denn hierbei handelt es sich - wie das LG in seinem Beschluss vom 11.7.2012 zutreffend ausgeführt hat - nicht um eine kerngleiche Verletzung, weil die seinerzeit angeführte Fußnote statt eines Studienhinweises nur auf die Fachinformation verweist und daher eine hinreichende Identität des Irreführungsaspekts nicht festgestellt werden kann. Weil also die Dringlichkeitsvermutung jedenfalls hinsichtlich eines der vorliegend verfolgten Irreführungsaspekte nicht widerlegt ist...

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