Leitsatz (amtlich)

Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG kommt bei Rücknahme der Revision nur in Betracht, wenn beurteilt werden kann, ob eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Diese Beurteilung wird in der Regel erst dann möglich sein, wenn das Revisionsverfahren bei dem Revisionsgericht anhängig geworden ist.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 18.04.2008; Aktenzeichen 616 KLs 17/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verteidigers Rechtsanwalt J. gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 16, vom 18. April 2008 wird verworfen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist dem Angeklagten am 8. August 2007 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Am 21. November 2007 hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 16, den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer am 26. November 2007 unter gleichzeitiger Erhebung der allgemeinen Sachrüge mit den Anträgen auf Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer Revision ein. Am 15. Januar 2008 wurde das Urteil zugestellt. Am 18. Januar 2008 erklärte der Beschwerdeführer schriftsätzlich gegenüber dem Landgericht, er nehme "mit ausdrück-licher Ermächtigung (s)eines Mandanten" die Revision zurück.

Mit Antrag auf Festsetzung der Vergütung für das Revisionsverfahren machte der Beschwerdeführer am 4. Februar 2008 neben der Verfahrensgebühr und der Auslagenpauschale für seine Mitwirkung an der Rücknahme des Rechtsmittels die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG in Höhe von Euro 412,-- zuzüglich Mehrwertsteuer geltend.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Festsetzung dieses Betrages am 12. Februar 2008 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Strafkammer durch Beschluss vom 18. April 2008 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern als unbegründet verworfen, nachdem die Einzelrichterin die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer übertragen hatte.

Gegen diesen am 23. April 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die am 6. Mai 2008 eingegangene Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der Beschwerde angetragen.

II.

Die Beschwerde des Verteidigers, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG, 122 Abs. 1 GVG), ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG), aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht dem Beschwerdeführer die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht zuerkannt.

1.

Nach Nr. 4141 VV RVG entsteht die zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. In Abs. 1 Nr. 3 der amtlichen Anmerkung zu Nr. 4141 VV RVG heißt es dazu: "Die Gebühr entsteht, wenn ... sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme ... der Revision des Angeklagten ... erledigt; ist bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, entsteht die Gebühr nur, wenn ... die Revision früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wird." Nach Abs. 2 der amtlichen Anmerkung entsteht die Gebühr nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist.

2.

Dem liegt ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG; Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP; BT-Drs. 15/1971) folgender gesetzgeberische Wille zu Grunde:

Durch die Neuregelung in Nr. 4141 VV RVG sollte der Grundgedanke der Regelung in § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen werden. Nach dieser Vorschrift erhielt der Rechtsanwalt, durch dessen Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wurde, die (volle Hauptverhandlungs-)Gebühr, wenn sich das gerichtliche Verfahren u.a. durch Zurücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl erledigte; war bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, jedoch nur, wenn der Einspruch früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wurde; dies galt nicht, wenn ein Beitrag des Rechtsanwalts zur Förderung des Verfahrens nicht ersichtlich war. In § 85 Abs. 4 BRAGO war die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf das Berufungsverfahren und die Berufungsrücknahme angeordnet. Dies griff die Neuregelung auf, indem dem Rechtsanwalt in den genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt werden sollte. Diese Zusatzgebühr sollte - wie schon in der Vergangenheit betreffend Einspruchs- und Berufungsrücknahme - den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und somit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Zusätzlich sollte zu der bisherigen Regelung in Abs. 1 Nr. 3 der Anmerkung neu auch der Fall erfasst werden, in dem das gerichtliche Verfahren durch Rü...

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