Leitsatz (amtlich)

1. Wird dem Antragsgegner im vereinfachten Verfahren die Antragsschrift und Belehrung nach § 251 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht zugestellt, gilt im Beschwerdeverfahren die Ausschlussfrist des § 256 S. 2 FamFG nicht.

2. Der Festsetzungsbeschluss dann im Beschwerdeverfahren aufzuheben und das Verfahren an das Familiengericht zur Nachholung der unterbliebenen Verfahrensschritte zurückzuverweisen.

 

Normenkette

FamFG § 251 Abs. 1 S. 2, § 256 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Altona (Beschluss vom 01.05.2020; Aktenzeichen 355c FH 1/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Altona vom 1.5.2020 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren an das Amtsgericht Hamburg-Altona zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 6 050 EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Der Antragssteller, vertreten durch das Jugendamt als Beistand, begehrt mit seinem am 25. Februar 2020 beim Familiengericht eingegangenem Antrag die Festsetzung von Unterhalt in Höhe von 105 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe seit dem 1.5.2019.

Die Antragsschrift erhält als Adresse für den Antragsgegner die Anschrift "..., ... H. ...". Das Familiengericht verfügte am 26.2.2020 die Zustellung des Antrages nebst den Belehrungen nach § 251 FamFG an den Antragsgegner. Gemäß Zustellungsurkunde wurden die Schriftstücke bei diesem am 5.3.2020 durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.

Am 1.5.2020 erließ das Amtsgericht antragsgemäß den Festsetzungsbeschluss. Dieser wurde dem Antragsgegner ebenfalls an die in der Antragsschrift angegebene Anschrift durch Einwurf in den Briefkasten am 7.5.2020 laut Zustellurkunde zugestellt.

Am 19.5.2020 ging beim Amtsgericht Hamburg-Altona ein Schreiben der Deutschen Post AG ein, nach dem das zuzustellende Schriftstück im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden wurde ohne dass die genauen Umstände der Rückgabe bekannt seien. Das Familienrecht veranlasste daraufhin eine Auskunft aus dem Melderegister, die für die angegebene Adresse des Antragsgegners aber keinen Treffer ergab. Auf Nachfrage des Amtsgerichts teilte der Beistand des Jugendamtes nunmehr mit, dass der Antragsgegner unter der Anschrift ..., ... Essen postalisch zu erreichen sei. Das Familiengericht stellte ihm daraufhin den Antrag und Beschluss erneut zu. Die Zustellung erfolgte wiederum gem. Zustellungsurkunde vom 24.7.2020 durch Einwurf in den Briefkasten.

Mit beim Familiengericht am 14.8.2020 eingegangenem Schriftsatz legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts ein. Zur Begründung seiner Beschwerde führt er aus, dass er erstmals mit der Zustellung am 24.7.2020 Kenntnis von der Antragsschrift und dem Beschluss erlangt habe. Die zuvor vorgenommene Zustellung an seine Anschrift in H. ... sei unwirksam gewesen, weil er an dieser Wohnanschrift bereits seit 2016 nicht mehr wohne. Dort lebe nur noch sein Vater. Er sei am 23.3.2016 in die Wohnung ...., ... H. ... umgezogen. Danach sei er am 15.2.2017 in die Wohnung ..., ... Essen und danach am 1.3.2019 in seine aktuelle Wohnung eingezogen. Der Antragsteller reicht zum Beleg entsprechende Meldebescheinigung ein. Auch in der Sache sei der Beschluss zu beanstanden. Unterhalt für die Vergangenheit könne frühestens ab Juli 2020 geltend gemacht werden, weil er erstmals durch die Zustellung am 24.7.2020 überhaupt Kenntnis von dem Unterhaltsbegehren hatte. Darüber hinaus sei er auch nur zur Leistung von Mindestunterhalt in der Lage.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Familiengericht.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt. Die Beschwerdefrist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an den Beteiligten zu laufen. Hier ist der angefochtene Beschluss dem Antragsgegner erstmals am 24.7.2020 durch Zustellung bekannt gegeben worden. Die zuvor am 7.5.2020 an die Adresse "..., ... H. ... vorgenommene Zustellung ist unwirksam, weil der Antragsgegner dort keinen Wohnsitz (mehr) hatte. Er hat aufgrund der mit der Beschwerde eingereichten Meldebescheinigungen den aus der Zustellungsurkunde als öffentlicher Urkunde folgenden Beweis der ordnungsgemäßen Zustellung (§ 415 ZPO) widerlegen können. Denn aus den Meldebescheinigungen geht unzweifelhaft hervor, dass der Antragsgegner seit 2016 nicht mehr unter der Anschrift im ... gemeldet ist und damit dort auch seitdem nicht mehr wohnt. Dass ausweislich der Zustellungsurkunde am 7.5.2020 gleichwohl eine Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten unter der Anschrift "..." erfolgte, dürfte seinen Grund darin finden, dass der Vater des Antragsgegners nach wie vor unter der Adresse gemeldet ist und sich insofern der Nachname des Antragsgegners weiterhin am Briefkasten befinden dür...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge