Leitsatz (amtlich)

An einen nur zufällig anwesenden Beschäftigten eines Zustellungsadressaten kann eine wirksame Ersatzzustellung nicht bewirkt werden.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 20.03.2007; Aktenzeichen 327 O 6/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.01.2010; Aktenzeichen IX ZB 193/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Hamburg vom 20.3.2007 (Geschäfts-Nr. 327 O 6/07) aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin, den Mahnbescheid Nr. 31096 des Gerichts zu Mailand vom 18.10.2005 (Nummer der Urkundsrolle: 57516/2005) für vollstreckbar zu erklären und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 30.815,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beantragte am 13.7.2005 beim Tribunale di Milano gegen die Antragsgegnerin den Erlass eines Mahnbescheids hinsichtlich eines Anwaltshonorars i.H.v. 30.815,96 EUR zzgl. Zinsen und Kosten. Der Mahnbescheid (Nr. 31096) wurde am 26.9./18.10.2005 erlassen. Gemäß Zustellungsurkunde vom 27.12.2005 wurde der Mahnbescheid unter der Anschrift W. in Hamburg Herrn R. als "employee" übergeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage 5 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 19.12.2006 beantragt, den Mahnbescheid für vollstreckbar zu erklären und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Nach Teilrücknahme hinsichtlich eines Teils der Kosten wurde der Mahnbescheid hinsichtlich der Verpflichtung, 30.815,96 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 4.9.2003 sowie Verfahrenskosten i.H.v. 1.336 EUR zu zahlen, für vollstreckbar erklärt und mit einer Vollstreckungsklausel versehen (Beschluss des LG Hamburg vom 20.3.2007, 327 O 6/07). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss (Bl. 14 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 30.3.2007 zugestellt worden. Sie hat durch Schriftsatz vom 27.4.2007 (Eingang bei Gericht per Telefax am selben Tag) Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass die Zustellung des Mahnbescheids unwirksam sei, da Herr R., der den Mahnbescheid entgegengenommen habe, zwar Beschäftigter der Antragsgegnerin sei, sich während der Betriebsferien in den Geschäftsräumen W. in Hamburg aber nur zufällig aufgehalten habe, um 2 Computer zu installieren, ansonsten aber als Lagerleiter in Henstedt-Ulzburg arbeite.

Im Übrigen sei der geltend gemachte Anspruch bereits durch Herrn Rechtsanwalt S. (der ebenso wie die Antragstellerin Rechtsanwalt bei der Kanzlei S. in Mailand sei) tituliert und vollstreckt worden. Es handele sich bei Herrn S. und der Antragstellerin um ein und denselben Anspruchsteller, da es um ein und denselben Honoraranspruch aus einem der Kanzlei S. erteilten Auftrag ginge. Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet, denselben Anspruch zweimal zu bezahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Beschluss vom 20.3.2007 zu Az. 327 O 6/07 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Mahnbescheids Nr. 31096 des Gerichts zu Mailand vom 18.10.2005 Nr. der Urkundenrolle 57516/2005 zurückzuweisen,

2. die erteilte Vollstreckungsklausel nach § 4 Anerkennnungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes - AVAG vom 19.2.2001 (BGBl. I 288, 436) aufzuheben,

3. hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Antragstellerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag, hält die Beschwerde aber für unbegründet.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Mahnbescheid wirksam zugestellt worden sei. Herr R. sei in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin mit der Installation von 2 Computern befasst und somit dort beschäftigt gewesen. Er genieße als Lagerleiter auch eine Vertrauensstellung. Jedenfalls seien Zustellungsmängel geheilt, weil Herr R. den Mahnbescheid auf einen Schreibtisch gelegt und der Mahnbescheid somit in den Machtbereich der Antragsgegnerin gelangt sei.

Es bestehe keine Parteiidentität zwischen Rechtsanwalt S. und der Antragstellerin. Unabhängig von dem Zusammenschluss zu einer Sozietät würden nach italienischem Recht Honoraransprüche bei jedem Rechtsanwalt einzeln entstehen. Es bestehe auch keine Anspruchsidentität.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Entscheidung erfolgt durch den voll besetzten Senat, weil § 568 ZPO vorliegend nicht anwendbar ist. Der gem. Art. 39 i.V.m. Anhang II EuGVVO, § 3 Abs. 3 AVAG zuständige Vorsitzende einer Kammer des LG ist nicht Einzelrichter aufgrund der §§ 348 ff. ZPO und damit nicht Einzelrichter i.S.v. § 568 ZPO (vgl. OLGReport Köln 2002, 344; Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., Anh. III, § 13 AVAG, Rz. 1).

Die gem. Art. 43 EuGVVO, § 11 AVAG zulässige und insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.

Die Vollstreckbarerklärung verstößt gegen Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. Die Antragsgegnerin hat sich auf das Verfahren nicht eingelassen. Das verfahrenseinleitend...

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