Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Gewährung von Einsicht in die Insolvenzakten einer gelöschten GmbH an Inhaber einer titulierten Forderung.

 

Normenkette

InsO § 4; ZPO § 299 Abs. 2

 

Beteiligte

2) den Präsidenten des Amtsgerichtes Hamburg, hier: Dezernat für Insolvenzangelegenheiten

 

Tenor

Auf Antrag der Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Amtsgerichts Hamburg – Insolvenzgericht –, Abt. 67 c, vom 10. November 2000 geändert:

Der Präsident des Amtsgerichts Hamburg bzw. der Vorsitzende der Abteilung 67 c wird verpflichtet, der Beteiligten zu 1) Einsicht in die Insolvenzakte 67 c IN 83/00 zu gewähren.

Die Entscheidung über die Art der Akteneinsicht wird dem Präsidenten des Amtsgerichts bzw. dem Vorsitzenden der Abt. 67 c überlassen.

Der Geschäftswert wird auf 1.300,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der gem. §§ 23, 24 EGGVG zulässige, insbesondere fristgerecht eingegangene (§ 26 Abs. 1 EGGVG) Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet.

Der angefochtene Beschluß, mit welchem die von der Beteiligten zu 1) beantragte Einsicht in die Akte des Insolvenzeröffnungsverfahrens betreffend die Firma „ ” abgelehnt worden ist, kann keinen Bestand haben, denn die Beteiligte zu 1) hat ein rechtliches Interesse (§§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO) an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht und ein berechtigtes Interesse der Schuldnerin an der Geheimhaltung von aus der Akte ersichtlichen Daten ist nicht erkennbar.

Die Beteiligte zu 1) ist Inhaber einer titulierten Forderung gegen die bezeichnete Kommanditgesellschaft und deren Komplementärin, die GmbH, als Gesamtschuldner. Das Insolvenzgericht hat die vom Geschäftsführer der Komplementär-GmbH beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kommanditgesellschaft mangels Masse mit rechtskräftigem Beschluß vom 2. Juni 2000 abgelehnt. Ihr Verlangen auf Akteneinsicht in die Insolvenzakte hat die Beteiligte zu 1) damit begründet, daß „weiter auszubringende Maßnahmen, auch strafrechtlicher Art, in Betracht zu ziehen seien; sie wolle auch die Möglichkeit einer Nachtragsliquidation prüfen”. Im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung hat sie ausgeführt, daß sie auch nach Löschung der Schuldnerin weiterhin schützenswert sei, da sie als Titelgläubigerin ein rechtlich begründetes Interesse an der Kenntnis der Verhältnisse der Schuldnerin und der „auch zu weiterer Zwangsvollstreckung und gegebenenfalls Ersatzansprüchen führenden Möglichkeiten” habe. Diese Kenntnis dürfe ihr nicht deshalb abgeschnitten werden, weil sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht selbst beantragt habe und wegen Löschung der Gesellschaft auch ein solches nicht mehr beantragen könne mit der Folge, daß sie sich das Akteneinsichtsrecht eines Beteiligten nicht verschaffen könne. Die Regelungen des Anfechtungsgesetzes zeigten darüber hinaus, daß dem Titelgläubiger eines Schuldners auch Dritte als neue Schuldner erwachsen könnten, so daß ihr, der Beteiligten zu 1), das Akteneinsichtsrecht auch wegen ihres haftungsrechtlich begründeten Interesses am Verhalten des Geschäftsführers der GmbH, der zudem alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH sei, zustehe. Der Geschäftsführer sei als Organ der Komplementär-GmbH nicht besonders schützenswert, da er die Gesellschaft in die Insolvenz geführt habe, zumal §§ 97, 101 Abs. 1 InsO ihm ohnehin einen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung oder nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sichere, wenn er im Rahmen des Insolvenzverfahrens Tatsachen habe offenbaren müssen, die geeignet seien, ihn der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit auszusetzen. Demgemäß sei unerheblich, daß der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ihr, der Beteiligten zu 1), ein Akteneinsichtsrecht nicht ausdrücklich zugestanden habe.

Die Nichtgewährung von Akteneinsicht sei auch sinnwidrig, weil sie, die Beteiligte zu 1), etwa über eine Strafanzeige mit Klagerzwingungsverfahren Einsicht in die InsO-Akte nehmen könne. Das gleiche gelte, falls sie den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH verklage, da sie in die vom Zivilgericht beigezogenen Insolvenzakten als Prozeßpartei Einsicht nehmen dürfe.

Der Präsident des Amtsgerichts als Beteiligter zu 2) hat zum Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung unter Hinweis auf in der Rechtsprechung vertretene unterschiedliche Auffassungen keine Stellungnahme zum Begehren der Beteiligten zu 1) abgegeben.

II.

1) Der Beteiligten zu 1) fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Akteneinsicht nicht deswegen, weil ihr Antrag etwa mutwillig wäre.

Zwar dürfte es eher unwahrscheinlich sein, daß die Beteiligte zu 1) aus der Insolvenzakte nützliche Informationen über etwa nicht realisierte Vermögensgegenstände der Schuldnerin, insbesondere Forderungen der Schuldnerin gegen Geschäftspartner oder den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als Zugriffsobjekte für die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der gelöschten Schuldnerin gewinnen kann, weil bei einer Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse eine Liquidationsbilanz nicht...

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