Verfahrensgang

LG Bremen (Beschluss vom 06.07.1995; Aktenzeichen 2 T 359/95)

AG Bremen (Beschluss vom 11.04.1995; Aktenzeichen 48 III 11/94)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 wird der Beschluß des Landgerichts Bremen – 2. Zivilkammer – vom 6. Juli 1995 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts Bremen vom 11.4.1995 wiederhergestellt.

Den Beteiligten zu 1 bis 3 wird Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und die Rechtsanwältin … in Bremen beigeordnet.

 

Gründe

Der Beteiligte zu 3 trägt seit etwa 15 Jahren den Vornamen Frieden mit Gott allein durch Jesus Christus und führte ihn im Land seiner Geburt, der Republik Südafrika, worüber eine am 28.3.1989 ausgestellte südafrikanische Geburtsurkunde existiert. Nach der Übersiedlung der Familie nach Bremen im Jahre 1989 führte der Standesbeamte des Standesamts Bremen-Mitte gemäß § 45 Abs. 2 PStG eine Entscheidung des Amtsgerichts Bremen darüber herbei, ob er den Vornamen des Beteiligten zu 3 in das Familienbuch einzutragen habe. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 11. April 1995 den Standesbeamten angehalten, den Vornamen des Beteiligten zu 3 in Spalte 9 des Familienbuches einzutragen. Auf die sofortige Beschwerde der Aufsichtsbehörde hat das Landgericht Bremen durch Beschluß vom 6. Juli 1995 den Beschluß des Amtsgerichts Bremen vom 11. April 1995 abgeändert und den Standesbeamten angehalten, den Vornamen nicht einzutragen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 bis 3 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie Verletzung des Gesetzes rügen.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Die angefochtene Entscheidung verletzt das Gesetz, weil das Landgericht die teilweise grundrechtlich geschützten Rechte und Belange der Beteiligten nicht unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Gewichtes der jeweiligen Interessen genügend abwägt. Keine Frage ist es allerdings, daß dem Beteiligten zu 3 der von seinen Eltern gewählte Vorname nach deutschem Recht nicht erteilt werden dürfte, weil dieser nicht die Eigenschaften aufweist, die nach deutschem Recht das Wesen des Namens ausmachen. Auszugehen ist aber hier nicht von dem deutschen Recht, sondern von dem, was in Südafrika als Name rechtlich anerkannt wird. Der Anwendung des südafrikanischen Rechts steht nicht der deutsche ordre public (Art. 6 EGBGB) entgegen. Durch die Eintragung des Vornamens in das Familienbuch würden zwar Grundsätze des deutschen Namensrechts (Satz 1) verletzt. Nicht jede zwingende Norm des deutschen Rechts schließt aber die Anwendung abweichenden fremden Rechts aus (BGH NJW 1961, 1061, 1062). Vielmehr wird der Zweck eines deutschen Gesetzes nur dann schwerwiegend verletzt, wenn der Unterschied zwischen den staatspolitischen Anschauungen, auf denen die voneinander abweichenden Rechtsordnungen beruhen, so erheblich ist, daß die Anwendung des ausländischen Rechts direkt in die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens eingreifen würde (RGZ 60, 296, 300). Eine derartige Tragweite kann aber dem weitgehend auf Ordnungsgrundsätzen beruhenden deutschen Namensrecht nicht beigemessen werden, abgesehen davon, daß es über die Funktion des Namens – Identitätsbezeichnung und Zuordnung – spezielle Rechtsnormen im deutschen Recht nicht gibt (OLG Hamm OLGZ 1983, 42, 45).

Die Anwendung des fremden Rechts ist auch nicht mit den Grundrechten unvereinbar (Satz 2), denn durch die Anwendung werden umgekehrt die Grundrechte des Beteiligten zu 3 gerade geschützt. Dieser hat nämlich an dem Vornamen ein subjektives, verfassungsmäßig geschütztes (Art. 2 I GG) Recht erworben, das durch Änderung äußerer Umstände nicht ohne weiteres beeinträchtigt werden darf; hiergegen spricht auch das allgemeine Ordnungsinteresse an der Kontinuität (BGHZ 63, 107, 112) sowie der Wille des Namensträgers selbst, der kein kleines Kind mehr ist, sondern alt genug, um die Vor- und Nachteile seines Vornamens weitgehend selbst zu beurteilen, so daß es nicht angebracht erscheint, sich über seinen Willen hinwegzusetzen und ihm einen vermeintlichen Schutz zu gewähren, an dem ihm nicht gelegen ist. Er selbst sagt nicht, daß er wegen seines Vornamens verspottet oder gehänselt worden sei. Daß ein Name von dieser Länge und Ungewöhnlichkeit im täglichen Leben Unzuträglichkeiten mit sich bringt, muß ihm während der langen Jahre, in denen er diesen Namen – auch in Deutschland – trägt, selbst klargeworden sein. Die vom Landgericht angestellten abweichenden Erwägungen sind teilweise spekulativer Natur.

Endlich geht es auch nicht an, von Seiten des Gerichts einen anderen Namen festzusetzen, denn das Recht der Namenserfindung ist Ausfluß der elterlichen Sorge (BGHZ 73, 239, 240; OLG Hamm OLGZ 1983, 42, 43; MünchKomm-BGB/Hinz, 3. Aufl., § 1616 Rdnr. 15; Diederichsen NJW 1981, 705).

 

Unterschriften

Nennecke, v. Feldmann, Gräper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1532062

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