Entscheidungsstichwort (Thema)

Volljährigenunterhalt: Ausbildungsunterhalt nach dreijähriger Unterbrechung der Ausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Unterbrechung der Ausbildung um mehr als 3 Jahre führt nicht zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt, wenn nach den sonstigen Umständen davon auszugehen ist, dass die Ausbildung begabungsangemessen ist und langfristig zur Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten der Unterhaltsgläubigerin geeignet ist.

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Barmbek (Urteil vom 26.06.2009; Aktenzeichen 893 F 235/08)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das Urteil des AG Hamburg-Barmbek vom 26.6.2009, Aktenzeichen 893 F 235/08, wird zurückgewiesen.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Die 23-jährige Klägerin verlangt von ihrem Vater, dem Beklagten, die Zahlung von Ausbildungsunterhalt.

Sie begann im Jahr 2005 eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten in einem medizinischen Versorgungszentrum. Dort wurde ihr während der Probezeit zum 22.4.2005 gekündigt wegen Fehlzeiten, die teils entschuldigt, teils unentschuldigt waren. In der Folgezeit hat sie in ihrem vormaligen Ausbildungsbetrieb gejobbt.

Am 1.8.2008 hat sie erneut in dem medizinischen Versorgungsbetrieb eine Ausbildung begonnen, sie bezieht dort eine Ausbildungsvergütung von anfangs 480,26 EUR, die sich im Verlauf der Ausbildung steigert.

Im familiengerichtlichen Verfahren hat die Klägerin von ihrem Vater die Zahlung von monatlich 65 EUR verlangt. Das Familiengericht hat den Beklagten zu monatlichen Zahlungen von 64,31 EUR in der Zeit vom Februar 09 bis einschließlich Juli 2009 und von 31,47 EUR vom August 2009 bis einschließlich Juli 2010 verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er ist der Meinung, dass die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe, da sie nach dem Abbruch der ersten Ausbildung 3 ½ Jahre gewartet habe, um mit einer neuen Ausbildung zu beginnen.

II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat aber keine Aussicht auf Erfolg. Mit zutreffenden Gründen, auf die verwiesen wird, hat das Familiengericht der Klägerin Unterhalt zugesprochen.

Eltern schulden ihren Kindern gem. § 1610 Abs. 2 BGB eine begabungsangemessene Ausbildung. Das Ausbildungsunterhaltsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ist von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, so dass einerseits Eltern leichtere Verzögerungen oder ein zeitweiliges Versagen hinnehmen müssen, andererseits das Kind seine Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit durchzuführen hat (BGH FamRZ 2006, 1100).

Ausbildungsverzögerungen bei leichtem, nur vorübergehendem Versagen des Kinds sind nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hinzunehmen, wenn es später - auch mit zeitlichem Abstand - seine Ausbildung zielstrebig fortführt (Strohal, jurisPR-FamR 19/2006 Anm. 1.)

Zwar ist vorliegend eine Verzögerung von mehr als 3 Jahren gegeben zwischen der Kündigung des ersten Ausbildungsverhältnisses und dem Beginn der jetzigen Ausbildung. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie habe sehr unter der Trennung der Eltern gelitten und habe Schwierigkeiten gehabt, sich in ein geregeltes Alltagsleben zurückzufinden und in der Lage zu sein, das Ausbildungsverhältnis "durchzuhalten".

Sie hat Zielstrebigkeit gezeigt durch ihre zwischenzeitliche ungelernte Tätigkeit in ihrem Ausbildungsbetrieb. Wenn ihr nun in ihrem ersten Ausbildungsbetrieb erneut die Chance einer Ausbildung gegeben wird, und sie so die Möglichkeit hat, langfristig ihre Erwerbsmöglichkeiten zu verbessern, so kann dem Vater zugemutet werden, sich an der Finanzierung dieser Ausbildung zu beteiligen.

Dies gilt auch, obwohl der Beklagte darauf vertraut hat, dass die Klägerin keine Ausbildung mehr machen würde. Er ist auch unter Berücksichtigung seiner finanziellen Dispositionen in der Lage, die vergleichsweise geringen Beträge, die die Klägerin zur Deckung ihres Bedarfs benötigt, aufzubringen.

Bei der Abwägung ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Beklagte während des ersten Ausbildungsversuchs keinen Unterhalt gezahlt hat.

Der Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2323547

NJW-RR 2010, 1589

MDR 2010, 752

FamRB 2010, 263

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