Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßnahmen der §§ 186, 187 GVG werden allein vom Vorsitzenden getroffen. Die Neufassung des § 187 GVG enthält keine erweiternde Zuständigkeitsregelung.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über den Antrag eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten, Aktenbestandteile schriftlich in eine ihm verständliche Sprache zu übersetzen und ihm auszuhändigen, ist der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers zuständig; eine Entscheidung des Spruchkörpers anstelle des Vorsitzenden ist unschädlich.

2. § 187 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 GVG in der Fassung seit dem 6. Juli 2013 (Gesetz vom 2. Juli 2013, BGBl. I S. 1938) begründet keinen Anspruch auf schriftliche Übersetzung von in der Akte befindlichen Zeugenaussagen oder Urteilen, die gegen gesondert verfolgte Beschuldigte ergangen sind.

3. Hat der Beschuldigte einen Verteidiger, ist ein solcher Anspruch auf Grundlage des Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK und § 147 Abs. 7 StPO grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

 

Normenkette

GVG § 187 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; StPO § 147 Abs. 7; EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. e

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 12.11.2013; Aktenzeichen 631 KLs 14/13)

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2013 wird kostenpflichtig verworfen.

 

Gründe

I.

Der in Untersuchungshaft befindliche Beschwerdeführer wird mit Anklageschrift vom 14. Oktober 2013 angeschuldigt, in zwei Fällen, davon in einem Fall gemeinschaftlich, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben. Er ist paraguayischer Staatsbürger und der deutschen Sprache nicht mächtig.

Unter dem 6. November 2013 hat der dem Beschwerdeführer beigeordnete Verteidiger beantragt, "folgende Beweismittel dem Beschwerdeführer in spanischer Übersetzung auszuhändigen:

1) Vernehmung des .......... (Anklage, Beweismittel I. 1.)

2) Vernehmung ............... (Anklage, Beweismittel I. 2.)

3) Urteil des Landgerichts gg. ......................... (Anklage, Beweismittel II. 39.)

4) Urteil des Landgerichts gg. ....... und ......... (Anklage, Beweismittel II. 40.)

5) Urteil des Landgerichts gg. ........ und .......... (Anklage, Beweismittel II. 41.)

6) Urteil des Landgerichts gg. .................. (Anklage, Beweismittel II. 42.)"

Das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 31, hat den Antrag am 12. November 2013 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern abgelehnt und am 21. November 2013 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen.

Der Beschwerdeführer richtet sich mit seinem am 22. November 2013 erhobenem Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 12. November 2013.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat angetragen, die Beschwerde kostenpflichtig zu verwerfen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat sachlich keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO zulässig.

§ 305 Abs. 1 StPO steht der Beschwerde schon deshalb nicht entgegen, da der angefochtene Beschluss vor der Eröffnung des Hauptverfahrens ergangen ist. Vor der Eröffnung des Hauptverfahrens ergangene Entscheidungen werden indes von § 305 Abs. 1 StPO nicht erfasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 305 Rdn. 2; Matt in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage § 305 Rdn. 2; Frisch in SK-StPO, 4. Auflage, § 305 Rdn. 9; KK-Zabeck, StPO, 7. Auflage, § 305 Rdn. 2).

2. Die Beschwerde ist unbegründet, da der Beschluss in formeller Hinsicht keine durchgreifenden Mängel aufweist und dem Angeklagten kein Recht auf Übersetzung und Aushändigung der von ihm benannten Aktenbestandteile zusteht.

a) Der Beschluss der Kammer ist nicht deshalb aufzuheben und die Sache an den Kammervorsitzenden zurückzuverweisen, weil die Kammer an dessen Stelle entschieden hat.

aa) Zuständig für die Bescheidung des Antrags auf schriftliche Übersetzung von Aktenbestandteilen und Überlassung dieser Übersetzungen ist der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers, dem die Vorbereitung der Hauptverhandlung im Wesentlichen obliegt (Meyer-Goßner, aaO. Vor. § 212 Rdn. 1).

Soweit § 187 Abs. 1 GVG (in Verbindung mit § 187 Abs. 2 GVG) als eine mögliche gesetzliche Grundlage hierfür die Regelung enthält, dass "das Gericht" in bestimmten Fällen einen Dolmetscher oder Übersetzer heranzieht, wird hiermit keineswegs die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers in seiner Besetzung (vgl. §§ 30 Abs. 2, 76 Abs. 1, 122 Abs. 1 GVG) geregelt; Maßnahmen der §§ 186, 187 GVG sind vielmehr solche der Verhandlungsleitung und werden zunächst nach pflichtgemäßem Ermessen allein vom Vorsitzenden getroffen (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 7. Auflage, § 186 Rdn. 15). Die Neufassung des § 187 GVG, der lediglich die §§ 185, 186 GVG im Straf- und Bußgeldverfahren ergänzt, enthält insoweit auch keine neue, gar erweiternde Zuständigkeitsregelung (vgl. amtl. Begründung, Drucksache 17/12578, S. 10).

bb. Allerdings ist es im Ergebnis unschädlich, dass die Kammer anstelle des Vorsitzenden über den Antrag entschieden hat. Eine Einbuße bei der Qualität der Entscheid...

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