Entscheidungsstichwort (Thema)

"Höhe der erstattungsfähigen fiktiven Reisekosten bei Einschaltung eines Unterbevollmächtigten"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn die Kosten eines Unterbevollmächtigten 10 % der fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der auswärtigen Partei überschreiten und deshalb nicht erstattet verlangt werden können (BGH NJW 2003, 898; NJW-RR 2005, 707), kann die Partei die volle Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten nicht mit der Begründung verlangen, dass sie aus ex ante-Sicht zum Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten davon ausgehen konnte, dass jedenfalls zwei Verhandlungstermine anfallen würden, so dass die Reisekosten ihrer Prozessbesvollmächtigten für die zweimalige Anreise höher ausgefallen wären als die Kosten des Unterbevollmächtigten. Für die Kostenerstattung ist eine ex post-Betrachtung des tatsächlichen Prozessverlaufs maßgeblich; das Risiko einer unzutreffenden Prognose trägt die Partei, die den Unterbevollmächtigten einschaltet.

2. Die Partei kann in diesem Fall aber 110 % der fiktiven Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten erstattet verlangen (wie OLGe Frankfurt und KG gegen OLG Oldenburg).

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 11.07.2011; Aktenzeichen 329 O 345/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.07.2012; Aktenzeichen VIII ZB 106/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Hamburg vom 11.7.2011 geändert:

Die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten werden auf EUR 1685,27 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 24.2.2011 festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 nach einem Streitwert von EUR 215,55 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Kostenausgleichsverfahren nach § 106 ZPO darum, ob der Kläger die Erstattung der Kosten eines Unterbevollmächtigten verlangen kann.

Der in K. ansässige Kläger nahm die Beklagte auf Bezahlung des Kaufpreises für einen Pkw in Anspruch. Er beauftragte seine in N./D. ansässigen Prozessbevollmächtigten mit seiner Vertretung. Das zunächst angerufene LG Ingolstadt verwies den Rechtsstreit an das LG Hamburg. Das LG Hamburg beraumte für den 3.12.2010 einen Verhandlungstermin an. In diesem Termin wurde der Kläger durch einen Unterbevollmächtigten vertreten. Unter dem 16.2.2011 stellte das LG Hamburg fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen war. Dieser sah vor, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 5/7 von der Beklagten und zu 2/5 von dem Kläger getragen werden sollten.

Im anschließenden Kostenausgleichsverfahren hat der Kläger u.a. die Kosten des Unterbevollmächtigten i.H.v. insgesamt EUR 930,82 geltend gemacht. Die fiktiven Kosten für eine Anreise seiner Prozessbevollmächtigten zu dem Termin hat er mit EUR 629,05 beziffert.

Mit Beschluss vom 11.7.2011 hat das LG die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf EUR 1640,33 festgesetzt. Hierbei hat es die Kosten des Unterbevollmächtigten lediglich in Höhe der fiktiven Reisekosten der Prozessbevollmächtigten des Klägers berücksichtigt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten erkennbar gewesen sei, dass ein zweiter Verhandlungstermin mit Zeugen erforderlich werden würde. Bei einem weiteren Verhandlungstermin wären durch eine erneute Anreise seiner Prozessbevollmächtigten höhere Kosten entstanden als durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässig und hat im erkannten Umfang Erfolg.

In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass eine Partei, welche an einem auswärtigen Gericht klagt, in der Regel einen an ihrem Wohnort oder Sitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen darf und dessen Reisekosten als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung gem. § 91 Abs. 1 ZPO vom Gegner ersetzt verlangen kann, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn diese Reisekosten die Kosten eines Unterbevollmächtigten beträchtlich übersteigen (Beschluss v. 11.12.2007 zum Aktz. X ZB 21/07, Rz. 7 und 10; Beschluss v. 28.1.2010 zum Aktz. III ZB 64/09, Rz. 9, jeweils zitiert nach juris). Entscheidet sich die Partei stattdessen für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung, sind dessen Kosten nur dann erstattungsfähig, wenn sie um nicht mehr als 10 % die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten überschreiten (BGH NJW 2003, 898; NJW-RR 2005, 707). Hiervon ist auch das LG im vorliegenden Fall ausgegangen und hat lediglich die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers ( EUR 629,05) berücksichtigt, weil die Kosten des Unterbevollmächtigten ( EUR 930,82) diese um mehr als 10 % übersteigen.

Die letztgenannten Entscheidungen des BGH dürften mit der Kommentierung von Gerold/S...

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