Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Geschäftsbedingungen eines gewerblichen Vermieters von Kraftfahrzeugen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der Mietsache gemäß § 536a Abs. 1 S. 1 BGB kann auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden.

2. Eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BGB liegt aber dann vor, wenn der Haftungsausschluss auch im Falle der Verletzung sogenannter Kardinalpflichten gelten soll, die als den typischen Verwendungszweck prägende Pflichten im Gegenseitigskeitsverhältnis mit der Mietzinspflicht stehen. Bei einem Kfz-Mietvertrag handelt es sich um solche Pflichten, wenn sie den grundlegenden, für den Vertragszweck des sicheren Fahrens unabdingbaren technischen Zustand des Mietfahrzeugs betreffen, insbesondere die Funktionsfähigkeit von Lenkung und Bremsen.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 307 Abs. 1, 2 S. 2, § 536 Abs. 1 S. 1, § 536a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.01.2021; Aktenzeichen 2-13 O 163/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.01.2021 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 90.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 160,00 EUR ab 15.04.2015 vierteljährig im Voraus jeweils zum 01.02., 01.05., 01.08. und 01.11. eines jeden Jahres zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 11.10.20XX auf der BAB ... Kilometer ... in Fahrtrichtung Stadt1, Stadt2, Ortsteil1, Kreis C, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Die Streithelferinnen der Beklagten tragen ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagten bleibt weiter nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 383.440,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von materiellem Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls am 11.10.20XX, der sich mit einem von ihr von der Beklagten angemieteten Kraftfahrzeug (nachfolgend auch: "Mietfahrzeug" oder "Fahrzeug") ereignet hat.

Die am XX.XX.1964 geborene Klägerin war seit 1998 als gewerbliche Mieterin Stammkundin der Beklagten, die seinerzeit eine gewerbliche Autovermietung betrieb.

Die Streithelferin zu 3) der Beklagten stellte das Mietfahrzeug, Modell1 Typ1, aufgrund einer Bestellung der Beklagten bei der Streithelferin zu 2) vom 23.01.2009 her. Das Fahrzeug wurde am 25.05.2009 als Neufahrzeug geliefert und am Liefertag als Selbstfahrvermietfahrzeug erstmals und auf die Beklagte zugelassen. Nach der Zulassungsbescheinigung Teil I beträgt die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs 148 km/h. Eigentümerin des Fahrzeugs war die Rechtsvorgängerin der Streithelferin zu 1), die mit der Beklagten am 26.05.2009 einen Leasingvertrag zur Finanzierung des Mietfahrzeugs schloss.

An dem Mietfahrzeug wurden mehrere kleinere Reparaturen (Erneuerung Muffe, Kabelband, Isolierband / Ersatz Blinker und Spiegelglas links / Erneuerung Türgriff Schiebetür) durchgeführt. Bei einer am 08.06.20XX durchgeführten Inspektion des Mietfahrzeugs wurden neben einem Motorölwechsel ein Austausch der Motorölfilterpatrone und des Dichtrings vorgenommen.

Bei einer Hauptuntersuchung des Mietfahrzeugs nach § 29 StVZO am 09.06.20XX wurde kein Mangel festgestellt (Anlage B13, Bl. 219 d.A.).

Das Mietfahrzeug wurde vielfach an Dritte vermietet, zuletzt am 02.10.20XX (Bl. 841 ff., 923 ff., 1091 ff. d.A.). Nach der Anmietung kam es an diesem Tag zu einem Unfall mit dem Mietfahrzeug. Nach der Unfallmeldung (Bl. 1094 d.A.) wurde der rechte Außenspiegel beschädigt. Das Mietfahrzeug wurde am 04.10.20XX an die Beklagte zurückgegeben (Bl. 1088 f. d.A.). In dem Rückgabeprotokoll sind als Schäden am Mietfahrzeug "Außenspiegel" und "Bremslicht" festgehalten (Bl. 1093 d.A.). Während der ...

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