Entscheidungsstichwort (Thema)

Risikoaufklärung durch Prospektübergabe bei Erwerb eines "unechten Blind-Pools"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht zur objektgerechten Beratung kann auch im Hinblick auf den Erwerb einer Beteiligung an einem als unechten Blind-Pools ausgestalteten Game-Portfolios durch die Übergabe eines aussagekräftigen Emissionsprospekts erfüllt werden.

2. Zur erneuten Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht bei unterbliebener Parteivernehmung gemäß § 445 ZPO 3. Zur Darlegungs- und Beweislast für die nicht rechtzeitig Übergabe des Emissionsprospekts

 

Normenkette

BGB § 280; ZPO §§ 286, 445, 529 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.04.2019; Aktenzeichen 2-27 O 273/17)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.4.2019, Az. 2-27 O 273/17, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungskläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Berufungsbeklagte zuvor jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

Im Jahr 2008 schlossen die Parteien einen Vermögensverwaltungsvertrag. Neben der Vermögensverwaltung vermittelte die Beklagte dem Kläger außerdem Beteiligungen an zwei geschlossenen Immobilienfonds sowie einem geschlossenen Infrastrukturfonds. Diese Dienstleistungen flossen in die Vergütung nach dem Vermögensverwaltungsvertrag nicht ein.

Anlässlich eines Beratungsgesprächs am 30.6.2008 empfahl der damalige Vorstand der Beklagten, Herr A, dem Kläger die Beteiligung an der X Fondsgesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden: X). Gegenstand dieses geschlossenen Fonds waren die Investition und der Vertrieb von Computer- und Konsolenspielen, wobei die Investitionsobjekte nur teilweise feststanden. Bei dem Beratungsgespräch griff Herr A auf ein einseitiges Informationspapier zurück, auf das wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Anlage K4 zur Klageschrift, Anlagenband). Außerdem verwandte Herr A eine Computerpräsentation, auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird (Anlage K5 zur Klageschrift, Anlagenband). Streitig ist, ob der Kläger im Rahmen der Besprechung den Emissionsprospekt erhalten hat, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K1 zur Klageschrift (Anlagenband) Bezug genommen wird. Der Kläger zeichnete am 3.7.2008 eine Beteiligung an dem X zum Nennwert von 30.000 EUR zzgl. 5 % Agio; auf die Kopie des Zeichnungsscheins wird verwiesen (Anlage K2 zur Klageschrift, Anlagenband). Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligung jedenfalls eine Provision in Höhe von 8,5 %. Ob sie weitere Provision erhalten hat, ist streitig.

Der Kläger erhielt in der Folgezeit zunächst Ausschüttungen und Rückzahlungen in Höhe von 6.150 EUR. Im Jahr 2012 geriet der Vertragspartner des Fonds, die Z AG, in Insolvenz; mit weiteren Ausschüttungen oder Rückzahlungen ist nicht zu rechnen.

Im Jahr 2014 begehrte der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten die Rückabwicklung unter anderem des streitgegenständlichen Xs.

Der Kläger hat behauptet, er sei nicht anlage- und interessengerecht beraten worden. Er habe einen langfristigen Vermögensaufbau zur Altersvorsorge und Risikominimierung angestrebt. Für dieses Ziel sei die streitgegenständliche Anlage nicht geeignet gewesen. Er habe keine Kenntnisse über die Funktionsweise der Beteiligung gehabt und sei hierüber von der Beklagten auch nicht aufgeklärt worden. Insbesondere seien ihm die erheblichen Verlustrisiken bis hin zum Risiko des Totalverlustes, die Haftungsrisiken und die eingeschränkte Fungibilität der Anlage, die Funktionsweise und Risiken der Konzeption des Fonds als unechtem Blind-Pool nicht bekannt gewesen. Er sei auch nicht über die Verflechtung zwischen Treuhänder und Emittent, den erheblichen Weichkostenanteil sowie die an die Beklagte gezahlten Rückvergütungen, einem möglichen Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB, einer Verschärfung des Widerauflebens der Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG, einer Nachhaftung nach § 160 HGB sowie bestehende Währungsrisiken aufgeklärt worden. Die Beklagte habe es unterlassen, ihn über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen und den damit einhergehenden Interessenkonflikt aufzuklären. Die Beklagte habe eine umsatzabhängige Provision von der Fondsgesellschaft erhalten, die über das Agio hinausgegangen sei. Soweit sich aus den Angaben auf S. 68 f. des Prospekts ergebe, dass für die Eigenkapitalbeschaffung eine Vergütung von 5 % des vermittelten und eingezahlten Gesellschaftskapitals zuzüglich eines Agios in Höhe von 5 % des Kommanditkapitals (insgesamt 9,52 % der Gesamtinvestition) geflossen sei, habe die Beklagte den Kläger hiervon nicht in Kenntnis gesetzt. ...

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