Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung: Sicherungsabtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherung führt zum Ausscheiden aus Vermögen des Abtretenden

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 02.11.2016; Aktenzeichen 8 O 295/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.12.2020; Aktenzeichen IX ZR 205/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 02.11.2016 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 13.206,91 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über den Nachlass des am XX.XX.2010 verstorbenen Ehemanns der Beklagten, Vorname1 Vorname2 Nachname1 (im Folgenden: Erblasser), einen Zahlungsanspruch nach Insolvenzanfechtung geltend.

Mit Kreditvertrag vom 30.10./09.11.2001 (Anlage Bk3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11.05.2018, Bl. 152 f d.A.) nahm die Beklagte zum Zwecke der Begründung einer HNO-ärztlichen Privatpraxis bei der Bank1 einen Kontokorrentkredit über 120.000,- DM auf, der eine "offene Abtretung der Rechte und Ansprüche nur und erst für den Todesfall aus der im Jahre 1997 bei der X abgeschlossenen Kapital-Lebensversicherung ..." (Vertragsurkunde in Anlage K2 zum Klageentwurf vom 22.12.2015, Bl. 10 f d.A.) vorsah. Mit Schreiben vom 09.11.2001 zeigte der Erblasser, der sich für die Kreditschulden der Beklagten selbstschuldnerisch verbürgt hatte (vgl. Anlage Bk4, Bl. 154 f d.A.), die Abtretung der Ansprüche bei der Versicherungsgesellschaft an (Anlage 2 a, Bl. 156 d.A.).

Im Oktober 2007 zog die Bank 13.206,91 EUR von der Lebensversicherung ein, nachdem die Beklagte ihren Kreditverpflichtungen nicht hatte nachkommen können. Nachdem im März 2011 der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens über den Nachlass des Erblassers bei Gericht eingegangen war, wurde der Kläger am 09.05.2012 zum Insolvenzverwalter bestellt und focht Rechtshandlungen des Erblassers nach §§ 129, 134 InsO an.

Der Kläger ist der Ansicht, ein Regressanspruch des Erblassers sei erst mit der Inanspruchnahme der Sicherheit im Oktober 2007 entstanden, so dass auch erst in diesem Zeitpunkt und damit innerhalb der Vierjahresfrist des § 134 InsO auf ihn verzichtet werden konnte.

Die Beklagte trägt vor, die Eheleute seien sich von Anfang an einig darüber gewesen, dass keinerlei Regressansprüche zwischen ihnen bestehen oder geltend gemacht werden sollten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und dies damit begründet, eine unentgeltliche Leistung des Erblassers sei im Jahre 2007 und damit innerhalb der Vierjahresfrist des § 134 InsO erfolgt. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung, wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge und wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das ihr am 14.11.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.12.2016 Berufung eingelegt und diese am 11.01.2017 begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, es lägen keine anfechtbaren Rechtshandlungen ihres verstorbenen Ehemanns vor. Die Kreditaufnahme zur Praxisgründung, die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung und die Bürgschaft seien zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie erfolgt. Die Eheleute, die bis zum Tod des Erblassers eine glückliche Ehe geführt hätten, hätten nie Regress voneinander gefordert. So sei es auch schon bei einer missglückten Kapitalanlage gewesen, für die die Beklagte ihr Elternhaus als Sicherheit eingebracht hatte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Verzicht des Erblassers auf den ihm zustehenden Regressanspruch sei erst nach der Inanspruchnahme der Sicherheit durch die Bank möglich gewesen und erfolgt, so dass eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an seine Ehefrau innerhalb der Vierjahresfrist des § 134 InsO vorgelegen habe.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 02.10.2018 (Bl. 203 ff d.A.) Beweis erhoben durch Einholung einer zunächst schriftlichen Aussage des Zeugen Vorname3 Nachname1. Zudem hat der Senat die Beklagte zunächst schriftlich und anschließend in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2019 persönlich angehört. Auf die schriftliche Zeugenaussage des Vorname3 Nachname1 vom 09.02.2019 (Bl. 282 f d.A.) und die Anhörungen der Beklagten (schriftlich vom 08.02.2019, Bl. 284 f d.A. und mündlich im Verhandlungsprotokoll vom 06.06.2019, Bl. 314 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsät...

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