Leitsatz (amtlich)

Fahrerschutzversicherung: Nicht-Geltung von Gefahrerhöhungsregeln bei Vertragsstrafeklauseln

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen 2 O 98/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.03.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf bedingungsgemäße Versicherungsleistungen aus einer Fahrerschutzversicherung geltend.

Der am XX.XX.1958 geborene Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Fahrerschutzversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) zugrunde lagen (Sonderband Versicherungsunterlagen). Nach Ziffer A.6.1 AKB sind danach Personenschäden des Fahrers infolge eines Unfalls beim Lenken des versicherten Fahrzeugs versichert. Ziffer A.6.4 AKB hat folgenden Wortlaut: "Wir zahlen für den Personenschaden des berechtigten Fahrers wie ein Haftpflichtversicherer nach deutschem Recht und nach Maßgabe gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen bis zu einer Höhe von 12 Mio. EUR je Schadenfall (z.B. Schmerzensgeld, Hinterbliebenenrente, behindertengerechte Umbauten). Voraussetzung für die Zahlung von Schmerzensgeld ist ein Krankenhausaufenthalt von mindestens 5 Tagen. Wir erbringen unsere Leistungen unabhängig davon, ob Sie den Unfall selbst verschuldet haben oder nicht". In Ziffer A.6.7 AKB heißt es unter der Überschrift "Verpflichtungen Dritter": "Ist im Schadenfall ein Dritter dem berechtigten Fahrer gegenüber aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Leistung verpflichtet, gehen diese Ansprüche unseren Leistungsverpflichtungen vor, wenn und soweit sie für ihn durchsetzbar sind". Wenn sich während der Laufzeit des Vertrags ein im Versicherungsschein aufgeführtes Merkmal zur Beitragsberechnung ändert, ist die Beklagte berechtigt, den Beitrag neu zu berechnen (Ziffer K.2.1 AKB), wobei der neue Beitrag ab dem Tag der Änderung gilt. Ändert sich die im Versicherungsschein aufgeführte Jahresfahrleistung, gilt abweichend davon der neue Beitrag rückwirkend ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres (Ziffer K.2.3 AKB). Ziffer K.4 AKB enthält Informationen über die Mitteilungspflichten zu den Merkmalen der Beitragsberechnung und über die Folgen von unzutreffenden Angaben. Ziffer K.4.4 AKB hat folgenden Wortlaut: "Haben Sie vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen vorsätzlich nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, ist zusätzlich zur Beitragserhöhung eine Vertragsstrafe in Höhe des richtigen Versicherungsbeitrags für die laufende Versicherungsperiode zu zahlen".

Im November 2011 ließ der Kläger über seinen Versicherungsmakler gegenüber der Beklagten die Fahrleistung des versicherten Fahrzeugs auf 20.000 km jährlich reduzieren. Zu diesem Zeitpunkt gab der Kläger einen Kilometerstand von 163.000 km an. Im Zeitpunkt des Unfalls wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 184.000 km auf.

Der Kläger erlitt am XX.XX.2012 auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Pkw einen schweren selbstverschuldeten Unfall. Aufgrund der erlittenen Verletzungen besteht bei dem Kläger eine traumatische spastische Tetraplegie sub C 4 (Versteifung der Halswirbelsäule HWK 4-6 mit Cageinterposition C 4/5 und 5/6) sowie eine neurogene Mastdarm- und Blasenentleerungsstörung. Er leidet an neuropathischen Schmerzen (vgl. ärztlicher Bericht der A Klinik Stadt1, Anlage K 1, Bl. 12 12 ff. der Akte). Es besteht keine Steh- und Gehfähigkeit mehr, der Kläger benötigt Hilfe bei sämtlichen täglichen Verrichtungen, insbesondere Körperhygiene, An- und Auskleiden sowie Essen. Möglich ist lediglich eine selbständige Fortbewegung im Elektrorollstuhl. Der Grad der Behinderung beträgt 100 % mit den Merkmalen G, B, aG und H. Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft als Wegeunfall anerkannt.

Vor dem Unfall war der Kläger für die Firma B GmbH tätig, für die er Montagetätigkeiten an verschiedenen Orten ausführte. Er übernachtete hierbei in Hotels und Ferienwohnungen und erhielt von seinem Arbeitgeber eine Übernachtungspauschale.

Bis zum Unfall bewohnte der Kläger mit seiner Ehefrau und seiner erwachsenen Tochter ein Mittelreihenhaus in Stadt2 (vgl. Pläne Bl. 240 ff. der Akte und Lichtbilder Bl. 280 ff. der Akte). Die Berufsgenossenschaft holte hinsichtlich der Möglichkeit eines behindertengerechten Umbaus des im Eigentum des Klägers und seiner Frau stehenden Hauses ein Gutachten des Architekten C ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.12.2012 zu dem Ergebnis, dass ein Umbau nicht möglich sei (Anla...

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