Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Auszahlungen bei Schneeballsystem

 

Leitsatz (amtlich)

Stehen einem stillen Gesellschafter lediglich gewinnabhängige Auszahlungen zu, so sind Auszahlungen unentgeltlich im Sinne von § 134 InsO, welche die Stille Gesellschaft, die ein Geschäftsmodell in der Art eines Schneeballsystems betreibt, trotz Kenntnis von in Wirklichkeit eingefahrenen Verlusten leistet.

 

Normenkette

BGB § 814; InsO § 134

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 07.06.2022; Aktenzeichen 4 O 2569/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 7. Juni 2022 (Az.: 4 O 2569/20) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B mbH & Co. KG (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin), über deren Vermögen nach einem Antrag vom 4. August 2016 durch Beschluss vom 2. Januar 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Der Beklagte ist Miterbe von C (nachfolgend: Erblasser). Dieser hatte mit Beitrittserklärung vom 27. Februar 2011 im Rahmen des Angebots "A1Classic" mit der Insolvenzschuldnerin eine Stille Gesellschaft abgeschlossen über eine Einlage von 15.000,- Euro zuzüglich Agio mit einer Laufzeit bis zum 31. März 2014. Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin war die Vergabe von Darlehen an die A GmbH & Co. KG (nachfolgend: A), die ein Luxuspfandleihhaus betreiben wollte. Durch die bei dieser eingereichten Pfänder sollten die Darlehen besichert werden.

Im Vertrag über die Errichtung einer Stillen Gesellschaft (Anlage K2 im Anlagenband) war die Einrichtung eines Verrechnungskontos und eines Kapitalkontos vorgesehen. Auf dem Kapitalkonto sollte die Einlage verbucht werden, auf dem Verrechnungskonto alle sonstigen Buchungen (§ 3). An einem Jahresüberschuss sollte der stille Gesellschafter entsprechend seinem Anteil teilnehmen, jedoch höchstens in Höhe von 7,15 Prozent der Einlage (§ 6.2). Auch an Jahresfehlbeträgen sollte er durch Belastung seines Kapitalkontos partizipieren (§ 6.3). Dieses sollte dann gegebenenfalls durch Überschussbeteiligungen bis zum Nominalwert der Einlage wieder aufgefüllt werden. Darüber hinausgehende Überschussbeteiligungen sollten dem Verrechnungskonto gutgeschrieben werden (§ 6.5). Entnahmen während der Dauer der Stillen Gesellschaft sollten vom Verrechnungskonto, nicht aber vom Kapitalkonto möglich sein. Mit dem Ende der Stillen Gesellschaft waren Überschüsse auf beiden Konten an den Gesellschafter auszukehren. Dieser war nicht verpflichtet, einen etwaigen Negativsaldo des Kapitalkontos auszugleichen (§ 11.1). Der festgestellte Jahresabschluss war für den stillen Gesellschafter verbindlich (§ 5.2).

Im für den Erblasser als Grundlage der Beteiligung maßgeblichen Verkaufsprospekt A1Classic (Anlage K2 im Anlagenband I) war als "Ergebnisbeteiligung / Ausschüttung" auf S. 8 vermerkt: "7 % p.a. für die Dauer von 3 Jahren". Zur "Rückzahlung" hieß es dort: "Der Rückzahlungsbetrag beträgt 100 % der Einlage (...)." Auf S. 15 wurde vor einem Totalverlust gewarnt (vgl. auch S. 19). Auch fänden Auszahlungen in Form von Gewinnbeteiligung nur insoweit statt, als dadurch kein Fehlbetrag entstehe. Es bestehe das Risiko, dass Ergebnisbeteiligungen teilweise oder insgesamt ausblieben.

Die Einlage des Erblassers in Höhe von 15.000,- Euro wurde am 28. Mai 2014 zurückgezahlt. Zudem erhielt der Erblasser von Juni 2013 bis Januar 2015 Auszahlungen auf (nach Auffassung des Klägers: Schein-)Gewinne in Höhe von 1.650,84 Euro.

Der Kläger vertritt die Auffassung, in Höhe von 12.644,24 Euro sei die Rückzahlung der Einlage rechtsgrundlos erfolgt, weil insoweit die Einlage durch Verlustzuweisungen aufgebraucht gewesen sei. Die Gewinnauszahlungen seien sämtlich rechtsgrundlos gewesen, weil die Insolvenzschuldnerin jedenfalls seit 2013 keine Gewinne erwirtschaftet habe. Deshalb unterlägen die entsprechenden Zahlungen der Anfechtung gem. § 134 InsO.

Der Kläger hat behauptet, es sei ein Schneeballsystem betrieben worden. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien entgegen den von der Insolvenzschuldnerin erstellten Jahresabschlüssen tatsächlich keine Gewinne erzielt worden. Vielmehr seien auf den Kapitalkonten vorhandene Guthaben durch die Beteiligung an den tatsächlich erwirtschafteten Jahresfehlbeträgen abgeschmolzen. Der Kläger hat nachträglich für die Jahre 2013 bis 2016 eigene Jahresabschlüsse aufgestellt und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass die Rückzahlungsforderungen gegen die A nicht den angenommenen Wert gehabt hätten, weil die A kein ordnungsgemäßes Pfandleihgeschäft betrieben habe. Sie habe Kredite an fiktive Personen oder an solche mit Verbindungen zum Firmengeflecht vergeben. Die Pfänder hätten...

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