Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB eines Paketdienstleisters in der Klauselkontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vollständige Abbedingung des Weisungsrechts des Versenders in den AGB eines Paketdienstleisters ist gegenüber einem Verbraucher wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, da die gesetzliche Ausgestaltung des Weisungsrechtes in § 418 HGB die Interessen des Transporteurs hinreichend berücksichtigt.

2. Beförderungsausschlüsse in den AGB eines Paketdienstleisters unterliegen der Klauselkontrolle, da sie jedenfalls im Hinblick auf eine mögliche Verlusthaftung das Hauptleistungsversprechen des Transporteurs einschränken. Die für den Verwender grundsätzlich mögliche Formulierung eines Beförderungsausschlusses ist dann unwirksam, wenn der versendende Verbraucher nicht hinreichend erkennen kann, welche konkreten Güter von der Versendung ausgeschlossen sein sollen.

3. Eine Klausel, die den Transporteur beim bloßen Verdacht eines Verstoßes gegen einen Beförderungsausschluss zur Öffnung eines Paketes berechtigt, benachteiligt den Versender unangemessen und ist auch im Hinblick auf die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 10 GG unwirksam.

4. Eine Klausel, wonach bei der Erteilung einer Abstellgenehmigung durch den Empfänger eines Paketes dieses nach Abstellung an der bezeichneten Stelle als zugestellt gilt, benachteiligt den Versender des Paketes nicht unangemessen.

 

Normenkette

BGB § 307; GG Art. 10; HGB § 418

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.10.2019; Aktenzeichen 2-24 O 184/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.04.2022; Aktenzeichen I ZR 212/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.10.2019 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge mit Verbrauchern über die Beförderung und Ablieferung von Sendungen in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen X GmbH & Co. OHG einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

"Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind, müssen nicht befolgt werden. Die §§ 418 Abs. 1 bis 5 und 419 HGB finden keine Anwendung." "Nachfolgend aufgeführte Güter und Pakete sind von der

Beförderung durch X ausgeschlossen:

  • Güter, die einer Sonderbehandlung bedürfen (z. B. besonders zerbrechlich sind oder nur stehend oder nur auf einer Seite liegend transportiert werden dürfen),
  • Güter, die zwar selbst nur einen geringen Wert

besitzen, durch deren Verlust oder Beschädigung aber hohe Folgeschäden entstehen können (z. B. Datenträger mit sensiblen Informationen),

  • [gefährliche Güter der in Ziffer 7 nicht genannten Klassen im innerdeutschen Verkehr und] Abfälle i. S. d. KrWG"

"Bei Verdacht auf das Vorliegen von Verstößen gegen Beförderungsausschlüsse [...] ist X zur Öffnung der Pakete berechtigt."

"Beauftragt der Versender X mit dem Transport von Paketen, deren Beförderung gemäß den Ziffern 3.1 bis 3.3 untersagt ist, ohne dass X den Transport vor Übergabe genehmigt hat, trägt der Versender entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen sämtliche aus der vertragswidrigen Beauftragung resultierenden Schäden und Kosten, die X oder Dritten entstanden sind, inklusive Aufwendungsersatz für angemessene Maßnahmen, um den vertragswidrigen Zustand oder Gefahren zu beseitigen oder abzuwehren (z.B. Sicherstellung, Zwischenlagerung, Rücksendung, Entsorgung, Reinigung etc.)."

"X haftet nicht für Folgeschäden und Folgekosten, wie z. B. rein wirtschaftliche Verluste, entgangenen Gewinn oder Umsatzverluste, Aufwendungen von Ersatzvornahmen sowie Schäden, die durch Verzögerungen bei Zoll- oder Luftfrachtabfertigung entstehen."

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2019 zu zahlen.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 1/4 und die Beklagte × zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung bestimmter Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und die Zahlung vorgerichtlich entstandener Abmahnkosten.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, der...

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