Leitsatz (amtlich)

1. Für die Klage eines Verbraucherschutzverbandes auf Unterlassung der Verwendung von Vertragsklauseln nach dem UKlaG ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben.

2. Eine Klausel in einem Flugtransportvertrag über eine Personenbeförderung, wonach ein Passagier seines Weitertransportanspruchs verlustig geht, wenn er nicht alle Flugcoupons in der vorgesehenen Reihenfolge abfliegt, ist unwirksam, weil sie den Passagier unangemessen benachteiligt. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, weil das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört wird. Bei dieser Klausel handelt es sich auch um eine unzulässige Vertragsstrafe i.S.v. § 308 Nr. 6 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 307-309; EuGVVO § 5; UKlaG § 4

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.12.2007; Aktenzeichen 2-02 O 243/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.04.2010; Aktenzeichen Xa ZR 5/09)

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers als Verbraucherschutzorganisation auf Unterlassung der Verwendung einer bestimmten Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucherorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste gem. § 4 UKlaG eingetragen, die inzwischen beim Bundesjustizamt fortgeführt wird.

Die Beklagte ist ein Lufttransportunternehmen mit Sitz in L1. In Deutschland unterhält sie eine Niederlassung.

Auf ihrer Internetseite hält die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen in deutscher Sprache zum Abruf bereit. Unter Ziff. 3 des Bedingungswerkes ist geregelt, dass ein Anspruch auf Luftbeförderung dann nicht besteht, wenn der Kunde keinen gültigen Flugschein vorweisen kann (Ziff. 3a 5).

Ziff. 3c 1 der Bedingungen enthält folgende Regelung:

"Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit."

Die Beklagte will mit dieser Regelung verhindern, dass ihre Tarifstruktur unterlaufen wird. Sie bietet Zubringerflüge zu ihrem zentralen Flughafen O2 ... an, von dem aus sie Langstreckenflüge durchführt. Um Letztere besser auslasten zu können, versucht sie, beispielsweise Passagiere aus O1 für einen in O2 startenden Langstreckenflug zu gewinnen. Deswegen verwendet sie mitunter Tarife, in denen derartige Umsteigeverbindungen zu niedrigeren Preisen angeboten werden als der Direktflug im Heimatmarkt. Mit der beanstandeten Klausel möchte sie verhindern, dass nur am Direktflug interessierte Reisende den billigeren Tarif wählen, indem sie einen Zubringerflug mitbuchen, aber nicht in Anspruch nehmen (Cross-Border-Selling).

Ferner bietet sie für die Zielgruppe Touristen Hin- und Rückflüge, zwischen denen eine längere Mindestaufenthaltszeit liegt, wesentlich günstiger an als bei von Geschäftsleuten nachgefragten Beförderungen, bei denen der Rückflug sofort angetreten werden kann. Hier will die Beklagte verhindern, dass ein Kunde den teureren Tarif umgeht, indem er zwei Flugscheine jeweils mit Mindestaufenthaltszeit günstig erwirbt und aus jedem ein Segment abfliegt (Überkreuzbuchen).

Mit Schreiben vom 14.5.2007 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, worin sie sich verpflichten sollte, die Verwendung der vorgenannten Klausel 3c 1 zu unterlassen. Die Beklagte weigerte sich, diese Erklärung abzugeben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Klausel benachteilige die Passagiere unangemessen. Sie führe zu einer erheblichen Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, da der Verbraucher das Beförderungsentgelt geleistet habe und ihm deshalb ein Anspruch auf Beförderung zustehe. Er hat behauptet, ihm lägen mehrere Beschwerden von Flugreisenden vor, die nur nach einer Aufzahlung den Flug hätten antreten bzw. fortsetzen können. Ferner verlangt er seine Aufwendungen für die Abmahnung pauschal mit 200 EUR ersetzt.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten zu unterlassen, nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Luftbeförderungsverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.4.1977, zu berufen:

(3c 1)... Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit, hilfsweise mit der Maßgabe, dies zu unterlassen in Verträgen über die Luftbeförderung mit Verbrauchern, die ihren Wohnsitz in der BRD haben und nach deren Inhalt der Ort des vertraglich geschuldeten Abflugs in ...

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