Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff der Leistung i.S.d. § 134 InsO

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der Leistung i.S.d. § 134 InsO ist weit zu verstehen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 9.7.2009 - IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306). Ausreichend ist hierbei, dass die Handlung den Begünstigten dazu in die Lage versetzt, das zugewendete Vermögensgut tatsächlich zu nutzen und weiter zu übertragen (Rogge, in: Schmidt; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl., § 134 InsO Rz. 2). Zudem ist Voraussetzung, dass der Anfechtungsgegner durch die Leistung einen Vermögenswert erlangt hat.

 

Normenkette

InsO § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.05.2009; Aktenzeichen 2-25 O 462/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.03.2012; Aktenzeichen IX ZR 207/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 25. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 25.5.2009 - 2-25 O 462/08, abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.502,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.7.2005 sowie weitere 832,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.4.2008 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Erbin auf Zahlung nach Insolvenzanfechtung aus dem Konto Nr ... des Erblassers X in Anspruch.

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11.3.2005 am 1.7.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Y GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ab 1992 ihren Kunden an, durch die Teilnahme an dem sog. "Z" (Z) am Erfolg oder Misserfolg von Optionshandelsgeschäften teilzunehmen. Die Schuldnerin erzielte seit 1993/1994 hohe Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden.

Der Erblasser X tätigte unter der Kundennummer ... eine Geldanlage im Rahmen des Z. Dabei zahlte er im Jahr 2000 insgesamt 102.000 DM abzgl. 2.000 DM Agio ein und erhielt zunächst am 28.2.2002 und am 31.7.2002 jeweils eine Auszahlung i.H.v. 3.000 EUR.

Der Erblasser verstarb am ... Februar 2003. Erbin wurde die Beklagte, die ihrerseits seit 1994 bei der Schuldnerin im Rahmen des Z ein Konto unterhielt, von dem sie seit 1995 diverse Auszahlungen erhielt. Nach Abrechnung des Kontos des Erblassers wurde am 21.3.2003 auf Anweisung der Beklagten ein Betrag in Höhe 60.915,72 EUR auf ihr eigenes Z-Konto umgebucht.

Insgesamt übersteigen die im Hinblick auf das Konto des Erblassers erfolgten Auszahlungen einschließlich des Betrags der Umbuchung die von dem Erblasser getätigten Einzahlungen um 15.786,52 EUR. Diesen Betrag hat der Kläger als im Anfechtungszeitraum (11.3.2001 bis 11.3.2005) erzielten Scheingewinn des Erblassers gegenüber der Beklagten als Erbin angefochten und mit der Klage geltend gemacht. Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er die Klage auf Scheingewinne i.H.v. 22.502,03 EUR erweitert, die er unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handelsergebnisse und der Bestandsprovisionen ermittelt hat (vgl. Anlage K 11).

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Zahlung mit der Begründung verweigert, die Umbuchung von einem Konto auf ein anderes stelle keine anfechtbare Auszahlung dar.

Das LG hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:

Die Umbuchung auf das Konto der Beklagten stelle einen rein internen Buchungsvorgang und damit keine Auskehrung dar, die angefochten werden könne. Die Umbuchung habe auch zu keiner Vermögensminderung bei der Schuldnerin geführt, so dass eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nicht vorläge. Zudem könne eine Leistung entweder nur entgeltlich oder nur unentgeltlich sein.

Auch die einzelnen Auszahlungen, die seit 2002 an die Beklagte im Hinblick auf ihr eigenes Konto geflossen seien, stellten keine unentgeltlichen Leistungen dar. Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte scheiterten an § 814 BGB. Auch der Hilfsantrag auf Abtretung möglicher Zahlungsansprüche sei unbegründet.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 146 bis 152 d.A.).

Gegen dieses ihm am 3.6.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 29.6.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt...

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