Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Pflichtteilsrechts

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.04.2022; Aktenzeichen 2-25 O 286/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.4.2022 - Az. 2-25 O 286/21 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Wertstufe bis 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Auskunfts-, Wertermittlungs- und Zahlungsansprüche gegen den Beklagten geltend.

Die Klägerin ist die pflichtteilsberechtigte Tochter der am XX.XX.2018 verstorbenen A (nachfolgend: Erblasserin). Der Beklagte ist der Vater der Klägerin und war der Ehemann der Erblasserin. Er ist der testamentarische Alleinerbe.

Das Landgericht hat dem auf erster Stufe auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gerichteten Auskunftsbegehren der Klägerin vollumfänglich stattgegeben. Begründet hat das Landgericht seine Entscheidung wie folgt:

Da die Erblasserin die Klägerin durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen habe, sei die Klägerin pflichtteilsberechtigt. Ihr stehe gegen den Beklagten als Erben ein Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu. Die Klägerin habe ihr Pflichtteilsrecht weder verloren noch stehe der Geltendmachung des Pflichtteils der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.

Eine Pflichtteilsentziehung, die zudem gemäß § 2336 Abs. 1 BGB zwingend in Form einer letztwilligen Verfügung hätte erfolgen müssen, liege nicht vor. Das Pflichtteilsrecht der Klägerin sei auch nicht aufgrund einer Anfechtung wegen Pflichtteilsunwürdigkeit der Klägerin nach § 2345 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin habe sich keiner der in § 2339 Abs. 1 BGB genannten Verfehlungen schuldig gemacht. Dabei käme nur Taten gegenüber der Erblasserin und nicht gegenüber den Erben in Betracht. Der Beklagte könne sich auch nicht auf eine Verwirkung oder unzulässige Ausübung des Pflichtteilsrechts nach § 242 BGB berufen. Der Ausschluss von Ansprüchen aus dem verfassungsmäßig geschützten Pflichtteilsrecht sei durch die Rechtsinstitute der Pflichtteilsentziehung und der Pflichtteilsunwürdigkeit abschließend geregelt. Insbesondere seien die in § 2333 Abs. 1 BGB angeführten Pflichtteilsentziehungsgründe, wie auch die in § 2339 Abs. 1 BGB angeführten Unwürdigkeitsgründe, einer Analogie nicht zugänglich (vgl. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 4.1.2018 - 12 U 1668/17). Die Auskunftspflicht des Beklagten erstrecke sich nicht nur auf den tatsächlich vorhandenen, sondern auch auf den sog. fiktiven Nachlass. Die Klägerin könne auch die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Auskunftsanspruch nicht wegen Unmöglichkeit der Auskunftserteilung nach § 275 Abs. 1 BGB erloschen. Zwar habe der Auskunftsschuldner nur insoweit ein Bestandsverzeichnis vorzulegen, als dass er zur Erteilung der notwendigen Informationen in der Lage sei. Eine gänzliche Unkenntnis über den Bestand des Nachlasses behaupte der Beklagte aber nicht. Inwiefern er sich hinsichtlich etwaiger abhandengekommener Gegenstände auf eine teilweise Unmöglichkeit der Auskunftspflicht berufen könne, sei in einem etwaigen Vollstreckungsverfahren zu entscheiden. Der Durchsetzbarkeit des Auskunftsanspruchs stehe auch nicht die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der im Jahr 2018 entstandene Auskunftsanspruch sei nicht verjährt. Die Verjährung sei durch die am 27.12.2021 bei Gericht eingegangene und dem Beklagten auch demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellte Klageschrift rechtzeitig gehemmt worden. Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz nebst den gestellten Anträgen und wegen der Entscheidungsbegründung im Übrigen wird auf das angefochtene Teilurteil (Bl. 74 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen die am 22.4.2022 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 18.5.2022 Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 22.7.2022 rechtzeitig vor Fristablauf begründet.

Der Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, wonach der Anspruch weder verwirkt sei noch eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) vorliege. Soweit sich das Landgericht zur Begründung auf den Hinweisbeschluss des OLG Nürnberg vom 4.1.2018 - Az. 12 U1668/17 - bezogen habe, sei der Sachverhalt dort ein anderer. Zudem habe das OLG Nürnberg ausdrücklich Fallgestaltungen für denkbar gehalten, in denen eine Verwirkung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten über die Vorschriften der §§ 2333 ff. BGB und des § 2345 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 2339 ff. BGB hinaus eingreifen könne. Eine Verwirkung des Anspruchs sei anzunehmen, wenn es - wie hier - darum gehe, andernfalls unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden. Der Beklag...

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