Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsmakler ist als Sachwalter der Interessen des Versicherungsnehmers verpflichtet, diesen in Versicherungsfragen umfassend und zutreffend zu beraten. Gegen diese Verpflichtung verstößt ein Versicherungsmakler, der dem wechselwilligen Mitglied einer privaten Krankenversicherung entgegen gefestigter Rechtsprechung erklärt, er könne die für ihn gebildeten Alterungsrückstellungen im Falle eines Wechsels ganz oder teilweise "mitnehmen".

2. Die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers erstreckt sich bei einem beabsichtigten Wechsel der privaten Krankenversicherung auch auf die gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsnehmers für einen erfolgreichen Wechsel. Dies kann im Einzelfall eine Pflicht zum Abraten begründen.

3. Ein Verdienstausfall des Versicherungsnehmers, den dieser in Kauf nimmt, um sich nach einem misslungenen Wechsel der privaten Krankenversicherung zumindest gesetzlich versichern zu können, beruht adäquat ursächlich auf der fehlerhaften Beratung durch den Versicherungsmakler.

4. Verdecktes Mithören eines Telefonats über Gesundheitsfragen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler durch einen Dritten führt regelmäßig zur Unverwertbarkeit der Zeugenaussage dieses Dritten über den Inhalt des Telefonats.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 652

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 26.09.2006; Aktenzeichen 10 O 92/06)

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung beim Wechsel einer privaten Krankenversicherung in Anspruch.

Der Kläger war seit Januar 1998 bei der X Krankenversicherung AG privat krankenversichert. Der Tarif enthielt einen Risikozuschlag wegen Bluthochdrucks und Übergewichts. Wegen gestiegener Tarife von monatlich zuletzt 543,94 EUR bat der Kläger den Beklagten, einen selbständigen Versicherungsmakler, ihm ein günstiges Alternativangebot zu unterbreiten. Der Beklagte kannte den Kläger langjährig, weil er für ihn seit 1979 alle Versicherungsangelegenheiten abwickelte. Der Beklagte hatte auch den X Krankenversicherungsvertrag vermittelt.

Der Beklagte empfahl dem Kläger zunächst den Wechsel zur Y Krankenversicherung AG. Er füllte mit dem Kläger einen Versicherungsantrag aus und stellte ihm dabei die Gesundheitsfragen. Dabei gab der Kläger erhebliches Übergewicht von 120 kg bei einer Körpergröße von 188 cm an. Wie die Gesundheitsfragen im Übrigen beantwortet wurden, blieb umstritten.

Der schriftliche Krankenversicherungsantrag für die Y beantwortet mehrere Gesundheitsfragen mit "ja". Dies betrifft Behandlung und Beschwerden beim Kläger, die erläutert wurden. Der Antrag vom 19.8.2004 (Blatt 41) ist vom Kläger und vom Beklagten unterschrieben und eingereicht worden. Wegen des Übergewichts des Klägers war die Y nur bereit, ihn mit einem Risikozuschlag zu versichern. Deshalb lag die Prämie höher als bei der X. Daraufhin sah der Kläger von einem Wechsel zur Y ab.

Der Beklagte versuchte, eine andere private Krankenversicherung zu günstigeren Bedingungen ausfindig zu machen. Dabei stieß er auf ein Angebot der Z Krankenversicherung AG. Im Rahmen der Beratung des Wechsels zur Z Versicherung AG erklärte der Beklagte dem Kläger, die für ihn bei der X Krankenversicherung AG gebildeten Alterungsrückstellungen gingen wegen einer Entscheidung des BVerfG für den Kläger nicht verloren; vielmehr würden 60 % bis 65 % der gebildeten Rückstellungen auf die neue Krankenversicherung übertragen (Blatt 52).

Der Kläger entschied sich für einen Wechsel zur Z Krankenversicherung AG. Am 2.11.2004 stellte er einen darauf gerichteten Versicherungsantrag. Diesen Antrag unterschrieb der Beklagte mit dem Namen des Klägers ohne Vertretungszusatz und fügte eine dem Kläger unbekannte Frau A als Versicherungsmaklerin ein. In diesem Versicherungsantrag waren die Gesundheitsfragen nicht so beantwortet wie in dem Antrag für die Y. Die Frage nach Vorerkrankungen wurde verneint (Blatt 131). Die Z Krankenversicherung AG nahm diesen Antrag an und übersandte dem Kläger am 13.12.2004 den Versicherungsschein mit einer Laufzeit ab Januar 2005 (Blatt 14, 15). Der vereinbarte Tarif betrug 507,85 EUR monatlich.

Anfang des Jahres 2005 wurde der Kläger wegen einer Herzbeutelentzündung stationär im Krankenhaus behandelt. Im Anschluss daran stellte die Z Krankenversicherung AG fest, dass der Kläger an Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes litt. Daraufhin erklärte die Z Krankenversicherung AG mit Schreiben vom 28.4.2005 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag (Blatt 16). Nach weiterer ärztlicher Aufklärung lehnte die Z Versicherung eine Fortsetzung des Vertrages mit Schreiben vom 8.6.2005 ab (Blatt 56).

Im Anschluss daran bemühte sich der Kläger erfolglos um eine andere private Krankenversicherung. Wegen seiner Vorerkrankungen lehnten zwischen Mai und Juli 2005 insgesamt 11 private Krankenversicherer entsprechende Versicherungsanfragen des Klägers ab. Darunter befand sich auch der Vorversicherer X (Schreiben vom 24.5.2005, Blatt 58).

Ein Wechsel zur gesetzlichen Krankenversiche...

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