Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensvertrag: Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung außerhalb der Vertragsurkunde

 

Normenkette

BGB §§ 492, 355; EGBGB Art. 247; EGBGB § 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Entscheidung vom 19.08.2016; Aktenzeichen 2 O 181/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 19. August 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und das vorliegend Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird für die Zeit bis zur teilweisen Berufungsrücknahme mit Schriftsatz der Beklagten vom 24. Februar 2017 auf 121.650,00 EUR und für die Zeit danach auf 16.650,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger drei mit der beklagten Bank geschlossene Verbraucherdarlehensverträge wirksam widerrufen hat.

Aufgrund eines am 30. Januar 2008 geschlossenen Darlehensvertrags mit der Nummer 1 (Band I Blatt 38 ff. der Akten) gewährte die Beklagte dem Kläger zur Finanzierung des Kaufpreises für eine Immobilie ein Darlehen in Höhe von 50.000,00 EUR zu einem bis zum 30. Januar 2018 festgeschriebenen Zinssatz von nominal 5,2 %. Nach dem Inhalt des Vertrags ist das Darlehen in voller Höhe am 30. Januar 2022 aus den Mitteln eines vom Kläger mit der Bank1 geschlossenen Bausparvertrags zurückzuzahlen. Das Darlehen ist gesichert durch eine zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld über 105.000,00 EUR; außerdem trat der Kläger der Beklagten seine Rechte und Ansprüche aus dem Bausparvertrag in Höhe der Bausparsumme von 105.000,00 EUR ab. Der Kläger entrichtete laufend die vertraglich vereinbarten Darlehenszinsen von monatlich 216,67 EUR.

Aufgrund eines ebenfalls am 30. Januar 2008 geschlossenen Darlehensvertrags mit der Nummer 2 (Band I Blatt 42 ff. der Akten) gewährte die Beklagte dem Kläger ein weiteres Immobiliendarlehen in Höhe von 55.000,00 EUR zu einem bis zum 30. Januar 2018 festgeschriebenen Zinssatz von nominal 4,85 %. Im Übrigen entsprechen die Darlehensbedingungen und die bestellten Sicherheiten denjenigen des Vertrags mit der Nummer 1. Der Kläger entrichtete laufend die vertraglich vereinbarten Darlehenszinsen von monatlich 222,29 EUR.

In beiden Darlehensverträgen vom 30. Januar 2008 heißt es unter Nummer 10:

"Vor Abgabe seiner Vertragserklärung wurde der Darlehens / Kreditnehmer von der Bank darauf hingewiesen, dass er im Falle eines Widerrufs dieses Vertrages Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung zu leisten hat. Der Darlehens / Kreditnehmer hat nach diesem Hinweis ausdrücklich zugestimmt, dass die Bank vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt."

Bei Abschluss der Darlehensverträge erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Widerrufsbelehrung, die bei beiden Verträgen mit Ausnahme der Darlehensnummer identisch ist:

((Abbildung))

Aufgrund eines weiteren Darlehensvertrags vom 10. / 13. Oktober 2010 (Band I Blatt 47 ff. der Akten) gewährte die Beklagte dem Kläger zur Finanzierung des Erwerbs einer Photovoltaikanlage ein Darlehen von 16.650,00 EUR abzüglich eines Bearbeitungsentgelts von 178,50 EUR zu einem bis zum 31. Oktober 2020 festgeschriebenen Zinssatz von nominal 3,25 %. Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist das Darlehen in 122 Annuitätsraten aus Zins und Tilgung zurückzuzahlen. Zur Sicherheit übereignete der Kläger der Beklagten die auf dem Dach seines Wohnhauses anzubringende Photovoltaikanlage. Unter Nummer 9 des Darlehensvertrags ist geregelt, dass das Darlehen auch durch die der Beklagten bereits bestellten Sicherheiten gesichert wird. Ergänzend heißt es unter Nummer 14, dass es sich bei dem Darlehensvertrag um einen Immobiliardarlehensvertrag handele und dass die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Besicherung durch die bereits eingetragene Grundschuld in Höhe von 105.000,00 EUR abhängig gemacht werde. Nummer 11 des Darlehensvertrags enthält folgende Widerrufsinformation:

((Abbildung))

Der Kläger entrichtete laufend die vertraglich vereinbarten Annuitätsraten von monatlich 163,00 EUR.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 (Band I Blatt 51 der Akten) widerrief der Kläger seine auf den Abschluss der vorgenannten Darlehensverträge gerichteten Vertragserklärungen. Dem widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 2014. Daraufhin beauftragte der Kläger einen Rechtsanwalt mit seiner außergerichtlichen Vertretung, wodurch Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.720,74 EUR angefallen sind.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückabwicklung der Darlehensverträge begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die gesetzliche Frist für den Widerruf seiner Vertragserklärungen habe nicht zu laufen begonnen, weil ihn die Beklagte nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen und die Auffassung vertreten, sie habe den Kläger jed...

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