Leitsatz (amtlich)

VW-Dieselskandal: Keine sittenwidrige Schädigung eines Audi-Käufers durch die Herstellerin des Motors EA 189 bei Kauf am 02.10.2015

 

Normenkette

BGB § 826

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 31.10.2019; Aktenzeichen 5 O 291/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat das eingelegte Rechtsmittel verloren.

Er hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird bis zum 5.10.2020 auf 40.286,08 EUR und ab dem 6.10.2020 auf 35.036,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz verlangt, weil in dem von ihm gekauften PKW Audi A 4 ein Motor eingebaut ist, der mit einer Abschaltsoftware ausgestattet war.

Der Kläger erwarb das Fahrzeug am 2.10.2015 von einem Händler zum Preis von 39.460,00 EUR mit einer damaligen Laufleistung von 27.264 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor EA189 ausgestattet. Das Abgasrückführungssystem (AGR-System) dieser Motoren erkannte, wenn das Fahrzeug den für die Erteilung der Typgenehmigung vorgesehenen künstlichen Fahrzyklus (Neuer Europäischer Fahrzyklus, NEFZ) durchfuhr. Die installierte Software kannte zwei unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuerten. Im Modus 1, der im NEFZ aktiv war, erfolgte zur Vermeidung höherer NOx-Emissionen eine höhere Abgasrückführung. Unter Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, war dagegen der Modus 0 aktiv, bei dem die NOx-Emissionen aufgrund einer geringeren Abgasrückführungsrate höher sind. Den für die Fahrzeugzulassung zuständigen Behörden war die Verwendung des speziellen Betriebsmodus 1 nicht bekannt gegeben worden.

Am 22. September 2015 gab die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG sowie eine gleichlautende Presseerklärung heraus, die auszugsweise wie folgt lauten: "Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran ... Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist. Bei der Mehrheit dieser Motoren hat die Software keinerlei Auswirkungen. Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt."

Die Beklagte setzte auch die anderen Konzernhersteller über die Umschaltlogik in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 in Kenntnis; am 23. September informierte die Audi AG ihre Vertriebspartner entsprechend. Ab dem 22. September beherrschte die Diesel-Thematik sämtliche deutschen sowie auch internationalen Medien. Am 2.10.2015 informierte die Audi AG - ebenso wie die Beklagte - in einer Pressemitteilung darüber, dass sie eine Internetseite zur Ermittlung der Betroffenheit des individuellen Fahrzeugs freigeschaltet habe.

Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen die Beklagte ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) 715/2007 aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) entwickelte die Beklagte einen Zeit- und Maßnahmenplan, nach dem eine technische Überarbeitung der Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA189 vorgesehen war. Der Kläger ließ das Software-Update durchführen.

Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 63.488 km.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte hafte ihm aus unerlaubter Handlung auf Schadenersatz. Indem sie die Manipulationssoftware entwickelt, sein Fahrzeug mit dieser Software ausgestattet und dieses sodann in den Verkehr gebracht habe, habe sie u.a. eine sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB begangen. Sein Schaden bestehe darin, dass er in Unkenntnis der Manipulationssoftware den Pkw erworben und einen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger u.a. Erstattung des Kaufpreises sowie aufgewandter Finanzierungskosten i.H.v. 826,08 EUR, insgesamt daher Zahlung von 40.286,08 EUR, zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des gekauften ...

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