Entscheidungsstichwort (Thema)

"Opt-in"-Erfordernis für die Bestellung fakultativer Zusatzleistungen bei Flugbuchungen im Internet

 

Leitsatz (amtlich)

Dem in Art. 23 I 4 VO(EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Erfordernis, wonach bei der Buchung von Flügen im Internet die Annahme fakultativer Zusatzleistungen (hier: Reiseversicherung) "auf "opt-in"-Basis" erfolgen muss, kann grundsätzlich auch dadurch genügt werden, dass der Kunde den eingeleiteten Buchungsvorgang nur fortsetzen kann, wenn er sich für oder gegen die Inanspruchnahme der Zusatzleistung entschieden hat. Dies setzt allerdings voraus, dass nach der konkreten Ausgestaltung des Buchungsvorgangs dem Nutzer sowohl die Möglichkeit, sich für die Zusatzleistung zu entscheiden, als auch die Möglichkeit, die Buchung ohne Inanspruchnahme der Zusatzleistung fortzusetzen, im Sinne einer klaren und gleichwertigen Entscheidungsalternative vor Augen geführt wird (im Streitfall verneint).

 

Normenkette

EGV 1008/2008 Art. 23 Abs. 1 S. 4; UWG § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.05.2013; Aktenzeichen 3-8 O 185/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.5.2013 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Beklagte, eine Fluggesellschaft, unterhält einen Internetauftritt, über den Flugtickets gebucht sowie ergänzend hierzu fakultativ Reiseversicherungen abgeschlossen werden können. Der Kunde kann den von ihm eingeleiteten Buchungsvorgang für ein Ticket nur fortsetzen, wenn er sich für oder gegen den Abschluss einer zusätzlichen Reiseversicherung entschieden hat. In der streitgegenständlichen Gestaltung des Internetauftritts musste der Nutzer die Entscheidung in der Weise treffen, dass er in einer sich öffnenden Drop down box mit der Überschrift "Wählen Sie ein Wohnsitzland" entweder eines der dort alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Länder oder die - zwischen den Ländernamen "Latvia" und "Lithuania" eingeordnete - Angabe "Nicht versichern" anklickte. Die Klägerin, ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sieht hierin einen Verstoß gegen die sich aus Art. 23 I 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 ergebenden Informationspflicht.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO verurteilt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet für Flugreisen in der Form zu werben und/oder werben zu lassen, dass ein Kunde im Rahmen des Buchungsvorgangs zum Abschluss eines fakultativ hinzubuchbaren Reiseversicherungsvertrages verleitet wird, indem er einer Aufforderung zu der Eingabe seines Wohnsitzlandes folgt und den Abschluss eines Reiserversicherungsvertrages nur durch Auswählen und Anklicken der Option "Nicht versichern" (Opt-out) umgehen kann, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K3 - K7.

Weiter hat das LG die Beklagte zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).

Mit der gegen das Urteil eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das LG zutreffend angenommen hat, steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5a IV UWG i.V.m. Art. 23 I 4 der VO(EG) Nr. 1008/2008 zu; der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 I 2 UWG.

1. Die Art und Weise, wie in der angegriffenen konkreten Verletzungsform (Anlagen K 3 bis K 7 zur Klageschrift) dem Kunden die Möglichkeit eröffnet werden soll, ein Flugticket ohne gleichzeitigen Abschluss einer zugleich angebotenen Reiseversicherung zu buchen, ist mit den Anforderungen, die sich aus Art. 23 I 4 der VO(EG) Nr. 1008/2008 an die Information über fakultative Zusatzkosten ergeben, nicht vereinbar.

a) Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings nicht bereits deshalb, weil der Kunde im Rahmen der angegriffenen Verletzungsform den eingeleiteten Buchungsvorgang nicht fortführen kann, ohne sich aktiv dafür zu entscheiden, ob er eine zusätzliche Reiseversicherung abschließen will oder nicht. Eine solche Ausgestaltung des Buchungsvorgangs entspricht - als solche - insbesondere dem in Art. 23 I 4, letzter Halbsatz der VO(EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Erfordernis, dass die Annahme der fakultativen Zusatzleistung "auf 'opt-in'-Basis" erfolgen ...

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