Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrvergütungsansprüche wegen Bauzeitverzögerung

 

Normenkette

VOB/B § 2 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Urteil vom 23.08.2021; Aktenzeichen 11 O 4027/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. August 2021 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kassel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Mehrvergütungsansprüche der Klägerin wegen einer Bauzeitverzögerung.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin auf der Grundlage eines Angebots der Klägerin vom 20. Dezember 2011 am 19. März 2012 mit Rohbauarbeiten für das Bauvorhaben "Umbau und Erweiterung Stadtmuseum Stadt1". Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Das Auftragsschreiben vom 19. März 2012 wurde auf Seiten der Beklagten von dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt1 und dem Stadtbaurat A, einem hauptamtlichen Mitglied des Magistrats, unterzeichnet.

Das mit Einheitspreisen versehene Angebot der Klägerin endet mit einem Angebotspreis von 2.699.842,92 EUR. Mit Nachtragsvereinbarung Nr. 1 einigten sich die Parteien im Hinblick auf den Wegfall bestimmter ästhetischer Elemente auf eine neue Gesamtvergütung von 2.499.785,32 EUR.

Das Bauvorhaben sah die Sanierung des Bestandsbaus (Altbau) und die Errichtung eines daran angeschlossenen Neubaus (Turm) vor. Gemäß den besonderen Vertragsbedingungen sollten die Bauarbeiten spätestens zwölf Tage nach Zuschlagserteilung beginnen und anschließend innerhalb von 215 Werktagen beendet sein. Die Klägerin schuldete nach Ziff. 10.12 der weiteren besonderen Vertragsbedingungen die Vorlage eines Baufristenplans - Balkenplans - über ihre vertraglichen Leistungen. Die Klägerin legte am 3. April 2012 einen Bauzeitenplan vor, der eine Bauzeit vom 2. April 2012 bis 14. Dezember 2012 vorsah. Am 10. Mai 2012 legte die Klägerin einen Bauzeitenplan vor, der eine Fertigstellung am 2. Juli 2013 vorsah.

Während des Bauablaufs kam es zu diversen Verzögerungen und Nachtragsvereinbarungen. Bei Rückbaumaßnahmen im Untergeschoss des Altbaus wurde Asbest vorgefunden. Mit E-Mail vom 26. April 2012 ordnete die Beklagte an, im Untergeschoss des Altbaus ab sofort keine Arbeiten mehr auszuführen. Die Asbestsanierung erfolgte durch ein Drittunternehmen und wurde am 25. Juni 2012 abgeschlossen. Noch an diesem Tag wurden die Arbeiten im Untergeschoss wieder freigegeben.

Am 3. Mai 2012 stellte sich beim Herausstemmen der Fußbodenbeläge zwischen Erdgeschoss und 2. Obergeschoss des Altbaus heraus, dass der alte Fußboden PAK-Werte aufwies, die eine spezielle Vorgehensweise beim Abbruch und der Entsorgung erforderten. Zwar wurde bereits bei der Ausschreibung im Leistungsverzeichnis darauf hingewiesen, dass die Oberflächen der Estrichböden den Schadstoff PAK aufweisen. Während der Bauteilöffnung am 3. Mai 2012 stellte sich jedoch heraus, dass zusätzlich auch eine Schicht zwischen den beiden Estrichschichten von PAK betroffen war. Mit E-Mail vom 7. Mai 2012 ordnete die Beklagte an, dass bis zur Klärung und Freigabe durch den Schadstoffgutachter keine weiteren Abbrucharbeiten des Asphaltestrichs durchzuführen seien. Die PAK-Sanierung wurde durch die Firma B, eine Subunternehmerin der Klägerin, durchgeführt. Deren Leistungen sind Gegenstand des Nachtrages Nr. 7, der von der Beklagten vollständig bezahlt wurde. Die Firma C teilte mit Schreiben vom 20. August 2012 mit, dass die PAK-Sanierung fertiggestellt sei und die Arbeiten wieder in allen Geschossen fortgesetzt werden könne.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der auf den 2. Juli 2013 endende Bauzeitenplan vom 10. Mai 2012 nicht akzeptabel sei. Unabhängig davon sei durch die festgestellten Schadstoffbelastungen - Asbest im UG und zusätzliche, PAK-belastete Estrichtrennschichten - eine Bauablaufstörung eingetreten. Zur Einhaltung der Vertragstermine seien Zusatzmaßnahmen und Änderungen des Bauablaufs erforderlich. Die Errichtung des Neubaus und der Abbruch und Neubau der Bestandsergänzung bei Achse 13/14 im Altbau sei nunmehr gleichzeitig zu erledigen. Weiter sei die Bestandsergänzung des Altbaus von dem Neubau bei Achse 14, insbesondere im Bereich der Bodenplatte, mittels Bewehrungs-Schraubanschlüssen zu trennen. Zudem seien an der Bestandswand bei Achse 14 Unterfangungen anzubringen. Schließlich sei auch die Ausführung des Untergeschosses des Neubauteils Turm/Außentreppe als wasserundurchlässige Betonkonstruktion nötig.

Aufgrund der genannten Änderungen im Bauablauf wurde der Statik-Nachtrag 2 erforderlich. Dieser Nachtrag wurde am 25. Septem...

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