Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücksichtnahmepflichten bei Vertragshändlervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen eines Vertragshändlervertrages bestehen gegenseitige Rücksichtnahmepflichten, aufgrund derer der Hersteller Bestellungen des Händlers nicht willkürlich ablehnen darf.

2. Sind die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB im Rahmen eines dem deutschen Recht unterliegenden Vertragshändlervertrages erfüllt, sind entsprechende Ausgleichsansprüche auch dann nicht vertraglich abdingbar, wenn das Vertragsgebiet außerhalb Deutschlands, aber innerhalb der Europäischen Gemeinschaft liegt.

 

Normenkette

HGB §§ 89b, 92c

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 16.10.2014; Aktenzeichen 9 O 148/12)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 16.10.2014, Az. 9 O 148/12, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 376.581,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 2.916,06 EUR vom 05.10.2011 bis zum 31.10.2011,

aus 9.267,04 EUR vom 05.10.2011 bis zum 31.12.2011,

aus 1.498,92 EUR, aus18.091,34 EUR, aus 129,36 EUR, aus 433,26 EUR, aus 108,00 EUR, aus 108,00 EUR, aus 190,86 EUR, aus 28.063,34 EUR, aus 1.217,96 EUR, aus 13.483,04 EUR vom 05.10.2011 bis zum 31.12.2011,

aus 718,50 EUR seit dem 02.11.2011, aus 435,60 EUR vom 02.11.2011 bis zum 31.12.2011,

aus 10.148,65 vom 06.11.2011 bis zum 31.12.2011,

aus 606,47 EUR, aus 10.981,32, aus 530,64 EUR, aus 68,16 EUR, aus 80,40 EUR, aus 20.620,92 EUR, aus 17.241,12 EUR seit dem 06.11.2011,

aus 1.869,60 EUR, aus 500,10 EUR seit dem 27.11.2011,

aus 32.672,50 EUR, aus 11.915,60 EUR seit dem 01.12.2011,

aus 8.880,64 EUR, aus 27.467,04 EUR, aus 211,46 EUR seit dem 03.12.2011,

aus 4.899,60 EUR seit dem 06.01.2012,

aus 71.931,60 EUR, aus 28.145,26 EUR, aus 20.029,20 EUR, aus 6.609,06 EUR seit dem 07.01.2012,

aus 46.817,34 EUR, aus 18.532,74 EUR, aus 19.457,40 EUR, aus 19.145,64 EUR seit dem 10.02.2012,

aus 532,08 EUR, aus 3.587,10 EUR aus 208,08 EUR, aus 4.546,80 EUR seit dem 15.02.2012.

und aus 1.959,00 EUR seit dem 04.02.2012

zu zahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

c) Der Widerklageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2) Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung entsprechend Ziff. 1) a) richtet

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem zum 31.12.2011 beendeten Vertragshändlervertrag. Die Klägerin macht (unstreitige) Forderungen aus Warenlieferung in Höhe von 463.391,10 Euro geltend. Die Beklagten machen im Wege der Aufrechnung und der Widerklage Schadensersatzansprüche wegen Nichtbelieferung in Höhe von 35.798,67 Euro, Rückerstattungsansprüche wegen über dem vereinbarten Budget liegender Marketingkosten in Höhe von 8.316,53 Euro und wegen vertragswidriger Preiserhöhungen in Höhe von 308.745,68 + 26.636,35 Euro, sowie einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in Höhe von 1.248.918,51 Euro geltend.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Ein aufrechenbarer Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtbelieferung stehe den Beklagten schon deshalb nicht zu, weil die Klägerin die entsprechenden Bestellungen nicht angenommen habe. Für die Monate August und September 2011 könnten die Beklagten im Übrigen auch deshalb keinen entgangenen Gewinn geltend machen, weil sie verpflichtet gewesen seien, mindestens eine für zwei Monate ausreichende Produktmenge vorzuhalten. Darüber hinaus fehle es auch an einer nach § 281 BGB erforderlichen Fristsetzung.

Ein Anspruch wegen erhöhter Marketingkosten stehe dem Beklagten zu 2) nicht zu, weil er weder vorgetragen habe, dass die Klägerin verlangt habe, das vereinbarte Budget zu überschreiten, noch unter Beweis gestellt habe, dass ihm tatsächlich Marketingkosten in der behaupteten Höhe entstanden seien.

Ein Anspruch wegen vertragswidriger Erhöhung der Verkaufspreise bestehe nicht, weil die Klägerin berechtigt gewesen sei, ihrer Abrechnung die jeweils zum Zeitpunkt des Kaufvertrages gültige Preisliste zugrunde zu legen. Zwar könne die Bezugnahme auf die "current price list" sowohl statisch als auch dynamisch verstanden werden. Tatsächlich hätten die Parteien jedoch übereinstimmend eine dynamische Verweisung "gelebt", auch wenn die Beklagten den jeweiligen Preiserhöhungen unter Hinwei...

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