Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite des relativen Veräußerungsverbotes aus § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG, §§ 135, 136 BGB im Falle der Veräußerung eines angeblichen Zubehörstückes durch einen Nichtberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Mit dem relativen Veräußerungsverbot aus § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG, §§ 135, 136 BGB soll der Gläubiger nach der Beschlagnahme vor ihm nachteiligen Maßnahmen des Schuldners geschützt werden. Es greift daher nicht ein, wenn nicht der Schuldner, sondern ein Dritter, als Nichtberechtigter über eine Sache verfügt.

 

Normenkette

BGB §§ 135-136, 854, 932 Abs. 1-2, § 935 Abs. 1, § 985; ZVG § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 93; ZPO § 708 Nr. 10 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 23.01.2012; Aktenzeichen 7 O 79/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.1.2012 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Marburg wird zurückgewiesen.

Das am 23.1.2012 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Marburg wird für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits im Berufungsrechtszug zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in erster Linie um die etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe einer Heuballenpresse an die Klägerin.

Die Klägerin ist Ersteherin des Anwesens ... straße in ... des Schuldners A, der auf diesem Grundstück u.a. eine Pferdepension mit Einstellplätzen betrieb. Der Schuldner erwarb mit Kaufvertrag vom 27.10.1995 die streitgegenständliche Heuballenrundpresse, die ihm am 31.10.1995 übergeben wurde.

Die Presse befand sich sodann zeitweise auf dem genannten Hofgrundstück des Schuldners, zeitweise jedoch auch in einem seitens des Schuldners angemieteten Schuppen eines Dritten. Sie wurde jedenfalls mitunter im Sommer für den Betrieb des Schuldners zum Heumachen verwandt.

Ein schriftlicher Kaufvertrag zwischen dem Schuldner und seinem Sohn, Herrn B, bezüglich der Heuballenpresse datiert auf den 21.5.2006; hierin war eine Übergabe der Heuballenpresse für den 1.5.2006 vorgesehen.

Bezüglich des Hofgrundstücks des Schuldners wurde im Jahr 2007 durch das AG Marburg die Zwangsversteigerung angeordnet. Der Versteigerungsvermerk wurde ins Grundbuch eingetragen. Mögliche Eigentumsrechte an der Heuballenpresse machte der Sohn des Schuldners, Herr B, im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht geltend. Mit Beschluss vom ... 2009 erteilte das AG Marburg der Klägerin den Zuschlag bezüglich des zwangsversteigerten Grundstücks des Schuldners (Bl. 14 ff. der Beiakte AG Marburg .../...).

Am 3.8.2009 verkaufte und übergab der Sohn des Schuldners, Herr B, der Beklagten die streitgegenständliche Heuballenpresse. Die Heuballenpresse befand sich sodann bei der Beklagten. Die Presse hat einen Zeitwert i.H.v. mindestens EUR 8.000,00.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Heuballenpresse sei als Zubehörstück von der Beschlagnahme und in der Folge vom Zuschlag umfasst gewesen. Ein gutgläubiger Erwerb der Beklagten sei im Hinblick auf die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch und ferner auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die Presse der Klägerin abhanden gekommen sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie die gebrauchte X. presse, herauszugeben, der Beklagten zur Herausgabe eine Frist von vier Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu setzen, und die Beklagte für den Fall, dass die Frist fruchtlos abläuft, zu verurteilen, an die Klägerin EUR 8.000 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die 7. Zivilkammer des LG Marburg hat mit dem angegriffenen Urteil die Klage abgewiesen.

Der Herausgabeklage fehle es nicht infolge § 93 ZVG an einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Eine Klage aus dem Eigentum nach § 985 BGB sei jedenfalls dann vorrangig, wenn - wie vorliegend - die Eigentumsverhältnisse nicht ohne weiteres geklärt werden können.

Ein Anspruch auf Herausgabe stehe der Klägerin allerdings nicht zu. Insbesondere könne sie die Herausgabe nicht nach § 985 BGB verlangen, da sie nicht Eigentümerin der Heuballenpresse sei.

Selbst wenn man - wofür einiges spreche - unterstelle, dass es sich bei der streitgegenständlichen Heuballenpresse um ein Zubehörstück des zwangsversteigerten Hofgrundstücks des Schuldners A handele und der Sohn des Schuldners, der die Geltendmachung eventueller Eigentumsrechte im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens verabsäumt habe, ein etwaiges zwischenzeitliches Eigentum jedenfalls mit Zuschlag am ... 2009 an die Klägerin verloren habe, so bleibe es indes dabei, dass die Beklagte das Eigentum an der Heuballenpresse am 3.8.2009 gutgläubig vom Sohn des Schuldners erworben habe.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Vermutungswirkung des § 23 Abs. 2 Satz 2 ZVG stützen. Die Beschlag...

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