rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufige Abwehrkosten aus der D&O-Versicherung im Rahmen einer Leistungsverfügung

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Versicherer ist es versagt, sich auf einen Ausschluss wegen arglistiger Täuschung zu berufen, wenn er vorläufige Abwehrkosten bei wissentlicher oder vorsätzlicher Pflichtverletzung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zugesagt hat, aus der sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung belegen, und es an einer solchen Entscheidung fehlt.

 

Normenkette

VVG §§ 100-101; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.01.2021; Aktenzeichen 2-08 O 320/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 18.01.2021 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ausspruch im Tenor wie folgt klargestellt wird:

Der Verfügungsbeklagten wird geboten, dem Verfügungskläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache (Az. Landgericht Frankfurt, ...) bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren, d. h. insbesondere, den Verfügungskläger von den durch Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät ab dem 01.11.2020 entstandenen und noch entstehenden Verteidigungskosten freizustellen, und zwar in den gegen ihn anhängigen gerichtlichen Verfahren, wie sie sich aus der Anlage S+P EV 33 (Stand 27.05.2021) zum Urteil ergeben.

Die Anschlussberufung des Verfügungsklägers gegen das am 18.01.2021 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Verfügungsbeklagte 80 % und der Verfügungskläger 20 % zu tragen.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger begehrt als versicherte Person im Wege einer einstweiligen Verfügung die Gewährung vorläufiger Abwehrkosten aus einer bei der Verfügungsbeklagten bestehenden D&O-Versicherung.

Der Verfügungskläger war seit 2002 erst als Mitglied des Vorstandes der X AG und später als Vorstandsvorsitzender tätig. Die X AG war ein international tätiger Zahlungsdienstleister mit Sitz in Stadt1. Das Unternehmen, zu dem zahlreiche Tochtergesellschaften im In- und Ausland gehörten, bot Dienstleistungen im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs an. Seit September 2018 war das Unternehmen im Deutschen Aktienindex DAX gelistet.

Die X AG unterhielt als Versicherungsnehmerin bei der Verfügungsbeklagten seit 2002 eine D&O-Versicherung für Organmitglieder und leitende Angestellte. Maßgeblich für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche ist der Versicherungsschein Nr. ... vom 11.03.2020, der für die Versicherungsperiode vom 01.01.2020 bis zum 01.01.2021 galt, nebst den zugrundeliegenden Bedingungen Z1 Stand 2015 (im Weiteren: Z) und den vereinbarten Besonderen Bedingungen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag sowie die Bedingungen Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte entschied jedes Jahr erneut über die Verlängerung der Versicherung anhand eines von ihr erstellten aktuellen International Risk Reports. Dieser Report beruhte unter anderem auf dem veröffentlichten unterjährigen Geschäftsbericht der X AG und den darin angegebenen Finanzkennzahlen sowie den jeweiligen Jahresabschlüssen.

Einen wesentlichen Anteil an der Geschäftstätigkeit des X-Konzerns nahmen sogenannte Third-Party-Geschäfte (im Weiteren: TPA-Geschäfte) in Asien ein. Diese Geschäfte wurden nicht von der X AG selbst, sondern von drei Tochtergesellschaften - Y, X1, X2 - abgewickelt.

Da das Unternehmen in Asien nicht über die erforderlichen Banklizenzen verfügte, um den Händlern Acquiring-Dienstleistungen selbst anbieten zu können, wurden diese an Dritte verwiesen, sogenannte Third Party Acquirer (im Weiteren: TPA-Partner bzw. Drittpartner; u.a. E, O und P).

Das Ausfallrisiko für etwaige Rückbelastungen hatten im Verhältnis zu den TPA-Partnern intern die Tochtergesellschaften von X übernommen, weshalb Treuhandkonten (sogenannte Escrow-Konten) eingerichtet wurden. Die Treuhandkonten wurden von einem von der X-Gruppe - angeblich - unabhängigen Treuhänder geführt.

Das Treuhandguthaben soll zuletzt im Jahr 2019 1,9 Milliarden Euro betragen haben, damit 1/4 des Gesamtumsatzes der X AG, und war eine wesentliche Ursache für die ausgewiesenen erheblichen Umsatzsteigerungen des Unternehmens und die sich jährlich verbessernden Finanzkennzahlen.

Diese Sicherheiten auf den Treuhandkonten wurden als Vermittlungsprovisionen unter dem Bilanzposten "Zahlungsmittel bzw. Zahlungsmitteläquivalente" ("cashflow" bzw. "cashflow-äquivalent") in den Jahresabschüssen der X AG verbucht. Unabhängig von der Frage der Existenz dieser Beträge steht im Streit, ob diese aufgrund ihres Zwecks als Sicherungsmittel in dieser Form hätten verbucht werden dürfen.

Im 4. Quartal 2019 kündigte der bis dahin tätige Treuhänder der in Singapur ansässigen Fa. A und wurde im November 2019 durch den auf den Philippinen tätigen Rechtsanwalt B erset...

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