Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsversicherung: Einstellung der Leistungen bei Erwerb neuer Fähigkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verweisung eines selbständigen Maurers auf eine Angestelltentätigkeit als Bauzeichner

2. Bei dem bisher erzielten Einkommen sind künftige Entwicklungschancen eines neugegründeten Unternehmens nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BUZBB

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.06.2013; Aktenzeichen 2-23 O 6/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 18.6.2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils vollstreckten Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit März 2003 eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf das Leben und die Berufsfähigkeit ihres Ehemanns A als versicherte Person. In der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist Beitragsfreiheit versichert. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen beschränken für den Fall des Eintritts der Berufsunfähigkeit im bisherigen Beruf die Verweisbarkeit auf tatsächlich ausgeübte andere Berufe. In § 8 Abs. 3 der Bedingungen ist im Zusammenhang mit der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit geregelt, dass die Leistungspflicht auch endet, wenn die versicherte Person neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat und infolgedessen bereits eine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, oder sich die versicherte Person insoweit trotz bestehenden Arbeitsmarktes nicht in zumutbarer Art und Weise um einen neuen Arbeitsplatz bemüht hat.

Der Ehemann der Klägerin erlitt im Juni 2003 einen ... Unfall, bei dem insbesondere seine linke Hand verletzt wurde. Da die Verletzung nicht folgenlos verheilte, konnte er seinen Beruf als selbständiger Maurer nicht mehr ausüben. Die Beklagte hat deshalb ihre Leistungspflicht anerkannt. Im März 2008 leitete sie ein Nachprüfungsverfahren ein. Zwischenzeitlich hatte der Ehemann der Klägerin eine Umschulungsmaßnahme zum Bauzeichner absolviert. Bemühungen, als Bauzeichner einen Arbeitsplatz zu erhalten, hat der Ehemann der Klägerin nicht unternommen. Mit Schreiben vom 20.5.2009 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie ihre Leistungen einstelle, weil sich der Ehemann der Klägerin nicht um einen Arbeitsplatz bemüht habe. Ab 1.7.2009 hat die Klägerin die Prämienzahlung wieder aufgenommen und bis einschließlich 31.12.2012 12.960 EUR an Prämien bezahlt.

Mit der am 31.12.2012 eingereichten, am 30.1.2013 der Beklagten zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte ihr weiterhin ab 1.7.2009 Beitragsfreiheit zu gewähren habe, und verlangt die Erstattung der seit 1.7.2009 gezahlten Prämien.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Berufsunfähigkeit ihres Mannes nicht entfallen sei, weil der ihm angesonnene Beruf des Bauzeichner mit seiner Lebensstellung als selbständiger Maurer, der zusammen mit einem Geschäftspartner eine Firma im Bereich Z betrieben habe, nicht vergleichbar sei. Als Selbständiger hätte er nach der Aufbauphase 2.500 EUR Reinerlös abzgl. Beiträgen zur sozialen Absicherung erzielen können, während er als Bauzeichner nur ein Bruttoeinkommen von 2.000 EUR erzielen könne. Ein angestellter Bauzeichner sei auch seiner gesellschaftlichen Stellung nach mit einem Selbständigen nicht vergleichbar, da der Selbständige sein eigener Herr und Geschäftsmann sei, keine Weisungen entgegennehme müsse, selbst die Arbeitsabläufe plane und für Buchhaltung und Steuerangelegenheiten verantwortlich sei. Da nach gesellschaftlicher Anschauung Handwerk als golden gelte und als ehrliche Tätigkeit wahrgenommen werde, genieße Bürotätigkeit, wie sie ein Bauzeichner ausübe, auch keine höhere Wertschätzung gegenüber manueller Tätigkeit.

Dem Ehemann der Klägerin sei die Ausübung des Berufs eines Bauzeichner aber auch gesundheitlich nicht möglich, da er seine Hände nicht beidseitig kraftvoll einsetzen könne, weil die linke Hand als Unfallfolge nur eingeschränkt benutzbar sei. Er könne nicht am Zeichenbrett arbeiten, sondern nur am Computer; nur darauf habe sich auch schon die Umschulung erstreckt. In diesem Zusammenhang legt die Klägerin das für einen anderen Berufsunfähigkeitsversicherer erstellte Gutachten der Ärzte B und C der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik O1 vor, das diese Behauptung bestätigt und zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ehemann der Klägerin im Beruf des Bauzeichner zu 30 % berufsunfähig sei. Dieser Grad sei allerdings, wie die Klägerin meint, zu niedrig angesetzt, weil die den Beruf prägende Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne.

Wegen des Defizits in...

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