Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlöschen der Versicherung durch Beitragsfreistellungsverlangen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch ein Beitragsfreistellungsverlangen des Versicherungsnehmers kommt es gem. §§ 165 I, 169 VVG automatisch zum Erlöschen der Versicherung, wenn die Mindestversicherungsleistung nicht erreicht wurde.

2. Es liegt kein Beratungsverschulden des Versicherers vor, wenn er den Versicherungsnehmer nach Eingang eines nicht auslegungsfähigen Beitragsfreistellungsverlangens nicht darauf hinweist, dass dies unweigerlich zum Erlöschen der Versicherung führt.

3. Hat sich der Versicherungsnehmer darüber geirrt, dass durch die Beitragsfreistellung die Versicherung erlischt, kommt grundsätzlich eine Anfechtung seiner Willenserklärung nach § 121 BGB in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 121; VVG §§ 6, 165 Abs. 1, § 169

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.05.2013; Aktenzeichen 2-23 O 393/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.5.2013 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. abgeändert und die Klage (insgesamt) abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Fortbestand einer Lebensversicherung.

Der Kläger schloss bei der beklagten Versicherung eine Lebensversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Versicherung begann am 1.10.2001 und sollte bis 2026 laufen.

Mit Schreiben vom 28.7.2010 (Anlage K 2 = Bl. 10 d.A.) bat der Kläger die Beklagte darum, den Vertrag mit sofortiger Wirkung beitragsfrei zu stellen. Da die vereinbarte Mindestversicherungsleistung i.H.v. 5.000 EUR nicht erreicht war, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26.8.2010 (Anlage K 3 = Bl. 11 f. d.A.) mit, dass die Versicherung in Auswirkung seines Antrages und Auszahlung des Rückkaufwertes erlösche. Hierauf zahlte die Beklagte rund 6.447 EUR an den Kläger aus. Zuvor hatte sich die Beklagte unter dem 4.8.2010 (Anlage B 2 = Bl. 75 d.A.) an den Versicherungsmakler gewandt und diesen gebeten, den Kläger ggf. zur Rücknahme seines Antrags auf Beitragsfreistellung zu bewegen, da er "für seine Entscheidung keinen Grund" genannt habe. Hierauf erfolgte allerdings keine Reaktion.

Mit Anwaltsschreiben vom 5.1.2011 (Anlage K 4 = Bl. 13 f. d.A.) wandte sich der Kläger gegen das Erlöschen des Vertrages und verlangte seine Fortsetzung.

Mit Schreiben vom 21.1.2011 bot die Beklagte dem Kläger daraufhin an, den Vertrag "im ursprünglichen Zustand fortzuführen", machte allerdings u.a. zur Voraussetzung, dass der Kläger eine neue Gesundheitserklärung abgibt. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden, weshalb er die vorliegende Feststellungsklage erhob.

Wegen des Sachverhalts im Weiteren und des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, mit dem das LG der Klage - bis auf einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - stattgegeben hat. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor:

Das angefochtene Urteil sei eine unzulässige Überraschungsentscheidung, da der Einzelrichter den Kläger in der mündlichen Verhandlung explizit auf die II. Instanz zur Durchsetzung seines Anspruchs verwiesen habe. Die Beklagte habe deshalb davon ausgehen können, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben würde.

Das LG habe zunächst rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Versicherungsvertrag aufgrund der Erklärung des Klägers vom 28.7.2010 erloschen sei. Diese Rechtsfolge sei mit Zugang der einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärung automatisch eingetreten.

Die Ausführungen des LG zum vermeintlichen Beratungsverschulden der Beklagten seien indes rechtsfehlerhaft. § 6 IV VVG verpflichte die Beklagte nicht, die durch einseitige Willenserklärung des Klägers bereits eingetretene Rechtsfolge rückgängig zu machen, indem sie ihm eine Fortsetzung des Vertrages zu unveränderten Bedingungen anzubieten habe. Die vom LG in diesem Zusammenhang herangezogenen Entscheidungen beträfen Fallgestaltungen, in denen das Versicherungsverhältnis jeweils fortbestanden hätte. Vorliegend sei das Versicherungsverhältnis zu dem Zeitpunkt, zu dem das LG ein Beratungsverschulden unterstelle, aber bereits erloschen gewesen. Eine nachvertragliche Beratungspflicht aber statuiere § 6 IV VVG nicht. Ein Beratungsverschulden lasse sich auch nicht im Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom 4.8.2010 an den Makler konstruieren.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Ber...

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