Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage nach der krassen finanziellen Überforderung der Ehefrau eines Darlehenskunden als Grundlage der widerleglichen Vermutung einer Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen allein aus emotionaler Verbundenheit beurteilt sich dann, wenn die Bürgin mehrere Bürgschaften für ihren Ehemann bei derselben Bank übernommen hat, aus einer Gesamtschau sämtlicher eingegangener Bürgschaften.

2. Dem so begründeten Sittenwidrigkeitsurteil kann die Bank sich nicht durch eine nachträgliche Beschränkung ihrer Bürgschaftsforderungen auf für sich betrachtet "zulässige" Teilbeträge entziehen.

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 4 O 77/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt v. 12.5.2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin ist mit mehr als 20.000 Euro beschwert.

 

Gründe

1. Die Beklagte verbürgte sich - neben ihrem Ehemann - am 25.9.1998 für den Ausgleich von Kreditforderungen der Klägerin gegen das vom Ehemann der Beklagten als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer betriebene Handelsunternehmen; sie übernahm zum einen eine Bürgschaft zur Sicherung eines Kontokorrentkredits bis zur Höhe von 50.000 DM, zum anderen eine Bürgschaft der Sicherung eines Darlehns i.H.v. 300.000 DM, jeweils zzgl. 20 % "Pauschale für Zinsen und Kosten". Die Bürgschaften - am 25.1.1999 ergänzt um eine weitere Bürgschaft i.H.v. 60.000 DM - dienten der Ablösung einer früher zur Höhe von 480.000 DM übernommenen Bürgschaft.

Die Beklagte verdiente seinerzeit aus einem Angestelltenverhältnis zu dem vom Ehemann geführten Unternehmen ca. 1.400 DM monatlich; auf ihren Namen war eine Lebensversicherung abgeschlossen; deren Rückkaufswert betrug damals ca. 36.000 DM.

Das vom Ehemann der Beklagten geführte Unternehmen wurde insolvent; die Klägerin stellte die Darlehenskonten mit Schreiben v. 23.4.2003 fällig und kündigte mit Schreiben v. 25.4.2003 die Inanspruchnahme der Beklagten und ihres Ehemannes aus den Bürgschaften in einer Gesamthöhe von 182.538,79 Euro zzgl. zukünftig anfallender Zinsen und Kosten an.

Mit Schreiben v. 3.7.2003 verzichtete die Klägerin mit Rücksicht auf die begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit der Beklagten auf Bürgschaftsansprüche, die über den Betrag von 60.000 DM aus einer der beiden Bürgschaften v. 25.9.1998 hinaus gingen.

Das LG hat die auf diese Bürgschaft gestützte Zahlungsklage mit Urt. v. 12.5.2004 abgewiesen; auf das Urteil wird wegen der ihm zu Grunde gelegten tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, die - zuletzt insgesamt drei - von der Beklagten übernommenen Bürgschaften stellten kein einheitliches Rechtsgeschäft dar; die in diesem Prozess umstrittene Bürgschaft über 60.000 DM habe auch für sich allein betrachtet ihren Sinn gehabt, und für sich betrachtet habe sie die Beklagte wirtschaftlich nicht überfordert. Dies gelte um so mehr, nachdem die Klägerin auf eine Inanspruchnahme der Beklagten aus den beiden anderen Bürgschaften verzichtet habe.

Ohnedies habe kein Näheverhältnis zwischen der Beklagten und der Hauptschuldnerin, der vom Ehemann der Beklagten geführten GmbH bestanden; die Vermutung, die Beklagte habe die Bürgschaft ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein aus persönlicher Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen, sei nicht begründet. Sie habe allerdings ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Sicherung des Kredits zu Gunsten dieses Unternehmens gehabt, nämlich das Interesse am Erhalt ihres Arbeitsplatzes.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Darmstadt v. 12.5.2004 - 4 O 77/04, unter Aufhebung im Kostenpunkt im Übrigen wie folgt abzuändern:

Die Beklagte wird kostenpflichtig verurteilt, an die Klägerin 30.677,51 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.7.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die in ihrer Gesamtheit zusammengehörigen Bürgschaften hätten die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit krass überfordert; die Klägerin habe die emotionale Notlage der Beklagten ausgenutzt, um die Bürgschaftserklärungen einzuholen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2.a) Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen; Ein Anspruch aus der am 25.9.1998 zur Höhe von 60.000 DM übernommenen Bürgschaft vom besteht nicht, da der Bürgschaftsvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist (§ 138 Abs. 1 BGB).

Wie in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ausgetragen ist, verstößt eine zu Gunsten...

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