Leitsatz (amtlich)

Keine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums wegen unangemessener Benachteiligung durch TÜV-Klausel

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.08.2017; Aktenzeichen 2-20 O 159/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.8.2017 (Az. 2-20 O 159/16) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt den beklagten Bauträger auf Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum in Anspruch. Grundlage hierfür sind einerseits die mit den Erwerbern in den Jahren 2005 und 2006 gleichlautend geschlossenen Verträge über die Errichtung und die Übereignung des Wohnungseigentums. Beispielhaft und unstreitig hat die Klägerin auf den Vertrag der Erwerber A vom 24.3.2006 zur Niederschrift des Notars X Bezug genommen (Anl. K2, Bl. 31 ff.). Dieser nimmt auf die Baubeschreibung vom 22.11.2005 Bezug, regelt die Herstellungspflichten nach BGB und enthält in § 5 eine relevante Klausel zur Abnahme. Demnach sollte das Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum "förmlich abgenommen" werden nach Herstellung der Bezugsfertigkeit (§ 5 Abs. 3 S. 1, Bl. 37): "Die Abnahme des Sondereigentums erfolgt durch den Käufer, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den TÜV Rheinland-Pfalz. Der TÜV wird vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, das Gemeinschaftseigentum für ihn abzunehmen" (Bl. 37).

Die Wohnungseigentümergemeinschaft fasste am 26.4.2012 (Anlage K 10, Bl. 133 ff.) unter Tagesordnungspunkt Nr. 7 folgenden Beschluss (zur Vorgehensweise Gewährleistungsmängel im Gemeinschafts- und Sondereigentum): "Die Gemeinschaft beschließt einstimmig, dass Herr Rechtsanwalt Y das Mandat erhält, das zur Durchsetzung der Nachbesserung der festgestellten Gewährleistungsmängel im Gemeinschaftseigentum notwendige Beweissicherungsverfahren, sowie alle weiteren juristischen Schritte im Namen der Gemeinschaft einzuleiten und umzusetzen." Zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat die Klägerin zunächst vorgetragen, diese sei im Frühjahr 2007 erfolgt.

Die Beklagte hat dies dahingehend konkretisiert (Bl. 149), dass die Abnahme in Form einer Baustellenbegehung mit Protokoll durch den Mitarbeiter B des TÜV am 21.6.2007 erfolgt sei und das Protokoll hierüber vorgelegt (Anl. B5, Bl. 155 ff.). Dabei handelt es sich um eine 33-seitige Mängelliste ohne Unterschriften. Demnach sollen die Mängel beseitigt gewesen sein. Dies hat die Klägerin bestritten. Es ist streitig, ob die Erwerber das Protokoll kannten oder davon erst durch die Vorlage im Rechtsstreit erfuhren.

Die Klägerin hat am 9.5.2012 einen Antrag auf Beweissicherung gestellt, dem das Landgericht Frankfurt entsprochen hat (Az. .../12, Beiakte). Dort wurde eine umfangreiche Begutachtung der Mängel des Gemeinschaftseigentums durch den Sachverständigen C vorgenommen. Das Beweisverfahren endete entweder durch Streitwertbeschluss vom 24.4.2015 (Bl. 285 der Beiakten) oder aber durch die Mitteilung der Beklagten vom 27.4.2015 (Bl. 286 der Beiakten), dass zu dem Nachtragsgutachten keine Ergänzungsfragen gestellt werden.

Am 10.8.2015 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob Bereitschaft zur einvernehmlichen Streitbeilegung zwischen den Parteien bestehe. Darauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten noch am selben Tage (Anl. K7, Bl. 60), er werde nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ab dem 25.8.2015 mit der Mandantin darüber sprechen. Am 16.11.2015 bezifferte die Klägerin ihren Vorschussanspruch auf der Grundlage der Begutachtung des Sachverständigen C auf 75.600 EUR zuzüglich Planungs- und Koordinierungskosten, entsprechend 80.000 EUR, sowie rund 17.000 EUR Nebenkosten und forderte die Beklagte vergeblich zur Zahlung bis zum 4.12.2015 auf (Anl. K8, Bl. 61 ff.).

Am 22.1.2016 beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid über 97.041,80 EUR, der der Beklagten am 28.1.2016 zugestellt wurde. Nach Widerspruch der Beklagten vom 2.2.2016 gab das Mahngericht die Sache am 10.6.2016 an das Streitgericht ab, welches die Klägerin mit Schreiben vom 15.6.2016 formlos zur Klagebegründung aufforderte, welche diese am 5.7.2016 vorlegte.

Dabei nahm sie die Hauptforderung zunächst auf 95.632,16 EUR zurück (Bl. 10). Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung (Bl. 83). Daraufhin nahm die Klägerin die Klage durch Schriftsatz vom 18.11.2016 auf 80.000 EUR zurück (Bl. 132).

Die Klägerin hat mit der Klagebegründung umfangreich zu den im Beweisverfahren festgestellten Mängeln...

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