Leitsatz (amtlich)

Beschluss über Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bei Verletzung von Mitteilungspflicht nach § 20 ABs. 7 AktG zwar anfechtbar, nicht aber nichtig

 

Normenkette

AktG § 20 Abs. 7, §§ 90, 108, 246

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 17.02.2017; Aktenzeichen 14 O 232/13)

 

Tenor

Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Webseite des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 14. Zivilkammer - 3. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Darmstadt vom 17.02.2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger war bis 2015 von der Arbeitnehmerseite bestelltes Mitglied des Aufsichtsrats der von 2010 bis 2017 als AG geführten Beklagten. Er begehrt im vorliegenden Verfahren primär die Feststellung, dass der in der Aufsichtsratssitzung vom 17.04.2013 zu Tagesordnungspunkt 5 "Status Musterstadt (Name geändert - die Red.) & Plan der nächsten Schritte" gefasste Beschluss nicht gefasst, sondern die Beschlussvorlage abgelehnt worden sei, und hilfsweise die Feststellung, dass dieser Beschluss nichtig sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Herren B und A seien nicht wirksam zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt worden, so dass ihre Stimmen am 17.04.2013 nicht als Ja-Stimmen hätten gezählt werden dürfen. Der Verzicht auf Form- und Fristvorschriften sei mangels Mitteilungen nach §§ 20 f AktG unwirksam und die Bestellungsbeschlüsse daher nach § 241 Nr. 1 AktG schon wegen dieser Vorfrage nichtig und im Übrigen anfechtbar; es liege hier ein Doppelmangel vor. Weiterhin hätten die nicht anwesenden Aufsichtsratsmitglieder am 17.04.2013 entgegen aktienrechtlichen Vorschriften nicht schriftlich und damit nicht wirksam zugestimmt. Die per E-Mail eingegangene Zustimmung des Herrn B weiche zudem von der Beschlussvorlage ab. Der Kläger war und ist weiterhin der Ansicht, wegen unzureichender Information der Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand, die teilweise nicht in Textform vorgenommen worden sei, sei der Beschluss über das unstreitig zustimmungspflichtige weitere Vorgehen im Zusammenhang mit dem Werk in Musterstadt nichtig; am 17.04.2013 sei faktisch schon das "Go" für die Schließung des Werkes Musterstadt erfolgt, nicht nur der Beschluss zur Erarbeitung eines Plans.

Die Beklagte hat das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage in Abrede gestellt und darauf hingewiesen, dass der am 26.03.2014 gefasste Beschluss des Aufsichtsrats, das Werk Musterstadt zu schließen, nicht angefochten worden sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 27.05.2014 (Bl. 204 d.A.) und 12.12.2014 (Bl. 261 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen C, D und E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsprotokolle vom 30.09.2014 (Bl. 218 ff d.A.), 24.02.3015 (Bl. 297 ff d.A.) und 29.11.2016 (Bl. 450 ff d.A.) Bezug genommen.

Nach der Beweisaufnahme hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aufsichtsratsmitglieder auf Anteilseignerseite wirksam bestellt worden seien. Die Bestellungsbeschlüsse seien allenfalls anfechtbar nach § 243 I AktG gewesen, aber nicht angefochten worden. Eventuelle Beurkundungsmängel seien durch Eintragung ins Handelsregister gemäß § 242 I AktG geheilt. Das Aufsichtsratsmitglied B habe wirksam schriftlich entsprechend der Beschlussvorlage abgestimmt. Die telefonische Stimmabgabe der Aufsichtsratsmitglieder F und G sei nach § 108 IV AktG zulässig gewesen. Informationsrechte des Klägers seien nicht verletzt. Am 17.04.2013 sei zwar eine Weichenstellung erfolgt, aber nicht bereits endgültig die Schließung des Werks Musterstadt beschlossen worden. Die vom Kläger verlangten Informationen sollten das Ergebnis der Prüfung sein, die am 17.04.2013 angeordnet wurde, und mussten daher erst 2014 vorliegen. Die Gründe, warum Musterstadt für die Prüfung einer Werksschließung ausgewählt wurde, hätten dem Kläger vor dem 17.04.2013 - und zwar seit der Aufsichtsratssitzung vom 28.06.2012 - vorgelegen und seien ihm auf seine Frage hin von dem Vorstandsmitglied H nochmals erläutert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des angefochtenen Urteils und des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 07.03.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.04.2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.06.2017 mit...

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