Entscheidungsstichwort (Thema)

Anweisung der gutgläubigen Bank durch den Insolvenzschuldner nach Erlass eines Zustimmungsvorbehaltes

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn der Schuldner, nachdem über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, seine Bank anweist, zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber einem seiner Gläubiger Geld zu übermitteln (durch Überweisungsauftrag, Scheck, Wechsel etc.), so kann diese Zahlung den Insolvenzschuldner nicht mehr von seiner Verbindlichkeit befreien. Auch wenn der Gläubiger sich in schuldloser Unkenntnis des Insolvenzverfahrens befindet, erzeugt die Zahlung des Schuldners keine Tilgungswirkung, selbst wenn der Gläubiger den Geldfluss noch als Leistung des Schuldners verstehen darf.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, §§ 814, 818; InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.08.2012; Aktenzeichen 2-18 O 037/12)

BGH (Aktenzeichen IX ZR 52/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.11.2013; Aktenzeichen IX ZR 52/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 15.8.2012 - Az. 2-18 O 037/12 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.508,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2010 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... A Gesellschaft mbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) von dem Beklagten Rückzahlung von EUR 6.508,68 nebst Zinsen. Der Beklagte ist Apothekeninhaber, dem aufgrund eines Heimversorgungs- und Betreuungsvertrags mit der Insolvenzschuldnerin vom 30.7.2003 (Anlage B 1, Bl. 34 ff. d.A.) die Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und Medizinprodukten oblag, wobei die Insolvenzschuldnerin das Inkasso bei den Heimbewohnern übernahm. Am 30.9.2008 stellte der Beklagte eine Sammelrechnung i.H.v. 6.508,68 EUR. Darauf zog die Insolvenzschuldnerin die Einzelbeträge bei den Heimbewohnern ein. Mit Beschluss vom 15.10.2008 um 14.30 Uhr (Anlage K 2, Bl. 16 f. d.A.) eröffnete das AG Bad Homburg das vorläufige Insolvenzverfahren, bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 15.10.2008 nach 17.00 Uhr ging bei der Bank der Insolvenzschuldnerin ein Überweisungsauftrag ein, mit dem die Insolvenzschuldnerin die Überweisung des Rechnungsbetrages von EUR 6.508,68 an den Beklagten veranlasste. Die Bank, die keine Kenntnis von dem Insolvenzantragsverfahren hatte, führte den Auftrag am 16.10.2008 aus, am 17.10.2008 wurde der Betrag dem Konto des Beklagten gutgeschrieben. Der Kläger forderte den Beklagten mehrfach zur Rückzahlung des Betrages auf, mit Schreiben vom 12.7.2010 unter Fristsetzung auf den 30.7.2010 (Anlage K 4, Bl. 20 f. d.A.). Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Frankfurt/M. vom 15.8.2012 (Bl. 57 f. d.A.).

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der im vorläufigen Insolvenzverfahren angeordnete Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO habe nicht zur Folge, dass der Beklagte die überwiesenen Gelder durch die Leistung der Insolvenzschuldnerin oder in sonstiger Weise auf deren Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt habe. Die unwirksame Verfügung sei die Anweisung der Insolvenzschuldnerin an ihre Bank, aus ihrem Guthaben oder ggf. ihrem Kontokorrentkredit die Gelder an den Beklagten zu überweisen. Die Geldüberweisung an den Beklagten stelle dagegen eine Verfügung der Bank und nicht der Insolvenzschuldnerin dar, weil bei letzterer das notwendige Erfordernis der Unmittelbarkeit fehle. Das Verfügungsverbot habe damit zur Folge, dass die Bank die Überweisung an den Beklagten ohne eine wirksame Anweisung der Insolvenzschuldnerin vorgenommen habe, was einen Kondiktionsanspruch zwischen den Parteien ausschließe. Der Kläger könne von der Bank verlangen, dass die Belastung auf dem Kontokorrentkonto der Insolvenzschuldnerin rückgängig gemacht werde und der Bank stehe ein Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten gem. § 812 BGB (Nichtleistungskondiktion) zu.

Gegen das dem Kläger am 31.8.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 19.9.2012 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er begehrt Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und verfolgt seinen Klageantrag aus erster Instanz in vollem Umfang weiter. Zur Begründung beruft er sich auf die Verletzung materiellen Rechts. Zweifelhaft sei bereits der Ausgangspunkt des LG, die Geldüberweisu...

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