Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 24.11.1994; Aktenzeichen 5 O 406/94)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Verfügungskläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 17.500,– DM.

 

Gründe

Die Verfügungskläger sind aufgrund rechtskräftigen Umlegungsplanes Eigentümer einer Grundstücksparzelle von ca. 70 m² geworden, die zuvor im Eigentum des Verfügungsbeklagten stand und von ihm zum Aufstellen von Kraftfahrzeugen im Rahmen seines Gebrauchtwagenhandels genutzt wurde. Trotz Aufforderung der Verfügungskläger, die auf der erworbenen Parzelle ihrerseits Kraftfahrzeuge für ihren Gebrauchtwagenhandel ausstellen wollen, hat der Verfügungsbeklagte das Grundstück nicht geräumt. Die Verfügungskläger haben beantragt, den Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung zur Räumung des Grundstücks zu verpflichten.

Gegen den den Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluß des Landgerichts Wiesbaden vom 24.11.1994 haben die Verfügungskläger am 08.12.1994 einen als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf eingelegt, welcher gemäß richterlicher Verfügung vom 15.12.1994 ohne Nichtabhilfeentscheidung dem Oberlandesgericht „zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde” vorgelegt worden ist. Gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung ist nicht die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO gegeben, weil der zurückweisende Beschluß keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ist, sondern die einfache Beschwerde gemäß § 567 ZPO. Der als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsbehelf ist daher in eine zulässige Beschwerde umzudeuten. Zwar hätte das Landgericht demgemäß nach § 571 ZPO überprüfen müssen, ob die Beschwerde begründet ist und ihr gegebenenfalls abhelfen müssen. Eine solche Nichtabhilfeentscheidung als Voraussetzung für die Vorlage der Beschwerde zum Oberlandesgericht kann in der richterlichen Weiterleitungsverfügung vom 15.12.1994 nicht erblickt werden (vgl. Zöller/Schneider ZPO 17. Aufl. 1991 § 571 Rn. 7). Im Hinblick auf das einem Verfügungsverfahren beizulegende Beschleunigungsbedürfnis erscheint dem Senat eine Rückgabe der Sache an das Landgericht zur Nachholung einer Prüfung gemäß § 571 ZPO untunlich. Die Beschwerde hat im Ergebnis auch keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert der Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügung nicht schon daran, daß der Verfügungsbeklagte keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB begangen habe und deshalb ein Anspruch aus § 861 auf Wiedereinräumung des Besitzes nicht bestehe. Im übrigen hätte das Landgericht von seinem Standpunkt aus den sich aus § 985 BGB ergebenden Herausgabeanspruch des Eigentümers als Verfügungsanspruch prüfen müssen. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB wurde mit der Bekanntmachung des Umlegungsplanes für den Grundbesitz der Parteien der bisherige Rechtszustand durch den in dem Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt, die Verfügungskläger wurden Eigentümer der streitigen, vor der Umlegung im Eigentum des Verfügungsbeklagten stehenden Grundstücksparzelle, diese Rechtsänderung vollzog sich außerhalb des Grundbuchs und muß im Wege der Grundbuchberichtigung im Grundbuch gewahrt werden. Die Bekanntmachung des Umlegungsplanes schließt gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 BauGB „die Einweisung der neuen Eigentümer in den Besitz der zugeteilten Grundstücke” ein, diese werden kraft Gesetzes zum Besitzer im Rechtssinne, ohne daß es einer Übergabe des Grundstücks zur Begründung des Besitzes nach § 854 BGB oder einer besonderen Besitzergreifung durch die neuen Eigentümer bedarf. Die Rechte des Eingewiesenen als Besitzer bestimmen sich von diesem Zeitpunkt an nach bürgerlichem Recht, er genießt den Besitzschutz nach §§ 858 ff BGB (vgl. Brügelmann/Pohl BBauG 1986, § 116, Rn. 38; Brügelmann/Schriever BauGB 1990, § 72 Rn. 15; Ernst/Otte BauGB 1989 § 72 Rn. 7; Battis/Löhr, BauGB 4. Aufl. 1994 § 72 Rn. 2, 6, 8). Den neuen Eigentümern stehen folglich auch die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsschutzansprüche oder entsprechende Verschaffungsansprüche (§§ 985, 861 BGB) zur Verfügung. Der frühere Eigentümer, der sich gegen die (tatsächliche) Besitzergreifung durch den eingewiesenen neuen Eigentümer wehrt, etwa, wie im vorliegenden Falle, das Grundstück tatsächlich nicht räumt, übt als nunmehriger Nichtbesitzer verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB aus, der eingewiesene neue Eigentümer darf von der Besitzerselbsthilfe nach § 859 BGB Gebrauch machen oder kann auf Einräumung des (tatsächlichen) Besitzes nach § 861 BGB klagen und das Urteil im Zivilrechtsweg vollstrecken (so BGHZ, 88, 337, 340; Brügelmann/Pohl a.a.O.; Battis/Löhr a.a.O. § 72 Rn. 6; Brügelmann/Schriever § 72 Rn. 15). Die vom Landgericht zitierte Kommentarmeinung, die Verhinderung der Besitzerlangung stelle keine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB dar (vgl. Münchener Kommentar § 858 Rn. 4; Staudinger/Bund, BGB 12. Aufl. 1989 § 858 Rn. 11; Palandt/Bassenge BGB 53. Aufl. 1994 § 858 Rn. 1; jeweils...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge