Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage des rechtlichen Interesses eines Dritten i.S.d. §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO an der Einsicht in Insolvenzakten.

2. Das Interesse eines Dritten, durch die Akteneinsicht Tatsachen zu erfahren, die es ihm erleichtern, einen Anspruch geltend zu machen, der in keinem rechtlichen Bezug zu dem Verfahrensgegenstand steht, genügt für § 299 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht.

 

Normenkette

EGGVG § 23; InsO § 4; ZPO § 299

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 370 E 1.7/08)

 

Nachgehend

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.01.2010; Aktenzeichen 20 VA 6/09, 20 VA 9/09)

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt Akteneinsicht in die Gerichtsakte des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A, AG Frankfurt/M. - Insolvenzgericht, Az. 81 IK 596/05 G. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie Unterhaltsgläubigerin des Schuldners sei, wobei allerdings keine Unterhaltsansprüche geltend gemacht würden, die vor Insolvenzeröffnung entstanden seien. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, sich über das Insolvenzverfahren des Unterhaltsschuldners zu informieren; durch das Insolvenzverfahren würden die Rechte der Unterhaltsberechtigten unmittelbar tangiert. Schließlich könne sie als Unterhaltsgläubigerin nicht schlechter gestellt werden als Insolvenzgläubiger. Der Treuhänder hat der Akteneinsicht widersprochen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 6.3.2008 (Bl. 43 ff. d.A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Präsident des AG das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass es der Antragstellerin am rechtlichen Interesse i.S.d. §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO fehle. Dieses komme nur dann in Betracht, wenn der Dritte - hier die Antragstellerin - im Falle der Insolvenzeröffnung Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO sein könne. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, so dass ein Akteneinsichtsrecht mangels eines hinreichenden rechtlichen Bezugs zum Streitstoff der Akten nicht bestehe.

Gegen diesen am 10.3.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.3.2008 (Bl. 1 ff. d.A.) beim AG Beschwerde eingelegt. Der Präsident des AG hat dies als Antrag auf gerichtliche Entscheidung i.S.d. §§ 23 ff. EGGVG gewertet und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Antrag sei unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfügung vom 17.4.2008 (Bl. 54 ff. d.A.) verwiesen.

Der auch ansonsten zulässige, so insbesondere gem. § 26 EGGVG fristgerecht eingelegte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft. Bei dem Beschluss des Präsidenten des AG vom 6.3.2008 handelt es sich um eine Verfügung, die von einer Justizbehörde zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Zivilprozesses getroffen wurde, mithin um einen Justizverwaltungsakt im Sinne der genannten Vorschrift. Darin liegt ein hoheitliches Handeln einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, das geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen (vgl. insoweit Senat ZVI 2006, 30).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts dritten Personen ohne Einwilligung der Parteien/des Schuldners - von deren Vorliegen hier nicht ausgegangen werden kann - die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, steht die Gewährung der Akteneinsicht an Dritte sodann im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands des Gerichts und hat der Dritte nicht etwa ein gesetzliches Einsichtsrecht, wie es in § 299 Abs. 1 ZPO den Prozessparteien eingeräumt wird. Für diesen Ermessensbereich wäre der Senat gem. § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu der Prüfung berechtigt, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung rechtswidrig wäre, weil die gesetzlichen Grenzen überschritten wären oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden wäre (vgl. Senat, a.a.O.).

Hier ist ausweislich des angegriffenen Beschlusses des Präsidenten des AG der Antragstellerin bereits das erforderliche rechtliche Interesse an der Akteneinsicht abgesprochen und noch keine Ermessensentscheidung im dargelegten Sinne getroffen worden.

Das mithin erforderliche rechtliche Interesse muss sich unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben. Es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus. Ein rechtliches Individualinteresse an der Akteneinsicht liegt nur vor, wo irgendwelche persönlichen Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden können, sofern ein rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge