Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung zum Tragen einer Maske im Sitzungssaal

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung zum Tragen eines Mund-/Nasenschutzes nach § 176 Abs. 1 GVG im Sitzungssaal ist nicht willkürlich und für alle Beteiligten bindend.

2. Zur Verhängung einer Verzögerungsgebühr gemäß § 32 FamGKG bei Zuwiderhandlung und Terminsvertagung

 

Normenkette

FamGKG § 32; GVG § 176 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Melsungen (Beschluss vom 10.06.2022; Aktenzeichen 55 F 977/20 UV)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Melsungen vom 10.6.2022 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Diese Entscheidung ist gemäß § 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner in dem vorliegenden Verfahren auf Zahlung von Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB in Anspruch. Das Amtsgericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung und Fortsetzung der Beweisaufnahme auf den 10.6.2022 anberaumt, hierzu das persönliche Erscheinen der Beteiligten angeordnet und zwei Zeugen verfahrensleitend geladen.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat sich sodann folgendes ereignet:

"Die Antragstellervertreterin weigerte sich, eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen.

Das Gericht wies darauf hin, dass es im Rahmen seiner Sitzungsgewalt einen Mund-/Nasenschutz verlangt.

Die Antragstellervertreterin weigerte sich weiter, eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen.

b.u.v.

Ein neuer Termin wird von Amts wegen anberaumt. In diesem neuen Termin haben dann sämtliche Beteiligte eine Mund-/Nasenbedeckung aufzuziehen."

Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht sodann der Antragstellerin eine Verzögerungsgebühr gemäß § 32 FamGKG in Höhe von 1.0 auferlegt. Zur Begründung hat die Vorinstanz ausgeführt, dass die Antragstellerin durch Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten, welches ihr nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, die Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig gemacht habe, nachdem in Ausübung der sitzungspolizeilichen Befugnisse aus § 176 Abs. 1 GVG das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verlangt worden ist und die Verfahrensbevollmächtigte der Anordnung keine Folge geleistet hat. Hinsichtlich der Höhe der Sanktion hat das Amtsgericht ausgeführt, dass im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung eine Reduzierung des Gebührensatzes nach § 32 S. 2 FamGKG nicht angezeigt erscheine, weil die Verfahrensbevollmächtigte vorsätzlich gehandelt habe und die Vertagung nicht nur zu einer Verzögerung führe, sondern die beiden Zeugen erneut geladen werden müssten, wobei einer von beiden eine weite Anreise habe.

Gegen den ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 30.6.2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 8.7.2022 Beschwerde eingelegt. Sie meint, dass es keine Veranlassung gegeben habe, den Termin wegen der Weigerung ihrer Verfahrensbevollmächtigten, eine Maske aufzusetzen, zu vertagen. Darüber hinaus vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass es keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Anordnung des Gerichts gäbe. Weil in demselben Gerichtsgebäude in anderen Sitzungssälen derartige Verpflichtungen nicht bestünden, habe das Verlangen der Amtsrichterin zudem eine willkürliche Maßnahme dargestellt. Es sei im Übrigen zu bemängeln, dass die Auferlegung der Verfahrenskosten unangekündigt erfolgt sei. Nach alledem sei das Vorgehen des Amtsgerichts als unverhältnismäßig, ermessensfehlerhaft und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrend anzusehen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.7.2022 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragstellerin wiederholt ihre erstinstanzlichen Rechtsansichten und führt ergänzend aus, dass aus Sicht ihrer Verfahrensbevollmächtigten in Hinblick auf die Zeugenvernehmungen von einer "Vermummung" hätte Abstand genommen werden müssen. Darüber hinaus sei es ihre Verfahrensbevollmächtigte gewohnt, dass es den Beteiligten überlassen wird, ob sie eine Maske tragen möchten oder nicht und stelle sich die Frage, ob persönliche Empfindungen der Richterin hinsichtlich der Corona-Pandemie im Rahmen des Hausrechts ausgeübt werden dürften.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 60 FamGKG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere unterliegt das Rechtsmittel entgegen der Rechtsmittelbelehrung keiner Frist (vgl. Schneider/Volpert/Fröhlich-Hagen, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, § 60 FamGKG Rdnr. 12) und übersteigt die Beschwer den maßgeblichen Wert von 200,00 EUR, weil sich eine volle Gerichtsgebühr, ausgehend von einem Verfahrenswert von 15.840,00 EUR (660,00 EUR × 12 Monate zzgl. rückständiger 7.920,00 EUR für die Monate 9/2019 bis 10/2020), auf 324,00 EUR beläuft.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin eine Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs moniert, weil ihr vor dem Erlass des Beschlusses vom 10.6.2022 ke...

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