Entscheidungsstichwort (Thema)

Elektronische Einreichung von Erbscheinsanträgen

 

Leitsatz (amtlich)

Reicht ein Notar einen Erbscheinsantrag bei dem Nachlassgericht nur auf dem Postweg ein und auch auf Anforderung des Nachlassgerichts nicht in elektronischer Form nach, ist der Antrag dennoch formwirksam angebracht. Denn bei einem Erbscheinsantrag handelt es sich nicht um einen schriftlich einzureichenden Antrag im Sinne von § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG, bei § 14b Abs. 2 S. 1 FamFG handelt es sich nur um eine Sollvorschrift und die Nichteinreichung eines Antrags in elektronischer Form auf Anforderung des Gerichts nach § 14b Abs. 2 S. 2 FamFG bleibt nach dem Gesetz sanktionslos.

 

Normenkette

BGB § 2353; FamFG §§ 14b, 352

 

Verfahrensgang

AG Lampertheim (Beschluss vom 22.06.2023; Aktenzeichen 31 VI 735/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbscheinsantrag des Antragstellers vom 01.07.2022 / 09.02.2023 nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung (unterbliebene Nachreichung des Antrags und von Urkunden in elektronischer Form) erneut zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Mit Fax-Schreiben vom 10.11.2021 (Bl. 1 d. A.) hat der Antragsteller bei dem Nachlassgericht angefragt, ob er dort einen zur Berichtigung des Grundbuchs benötigten Erbschein beantragen könne.

Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat daraufhin unter dem 11.11.2021 die Übersendung eines Merkblatts zum Erbscheinsantrag verfügt; der Inhalt jenes Merkblatts ist nicht aktenkundig geworden.

Der verfahrensbevollmächtigte Notar hat per Briefpost sein Schreiben vom 01.07.2022 (Bl. 7 f. d. A.) bei dem Nachlassgericht eingereicht, dem er die erste Ausfertigung seiner Urkunde Nr. ... (Bl. 22 ff. d. A.) vom 30.06.2022 sowie Personenstandsurkunden und die Ausfertigung eines familiengerichtlichen Beschlusses über die Annahme eines Kindes jeweils in beglaubigter Fotokopie beigefügt hat.

In der genannten Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 30.06.2022 hat der Antragsteller erklärt, einen gemeinschaftlichen Erbschein nach der Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge mit dort näher bezeichneten Inhalt zu beantragen. Der Antragsteller hat in der Urkunde zudem Angaben gemacht, welche er an Eides statt versichert hat.

Es finden sich in der Akte des Nachlassgerichts zeitlich nachfolgend zwei Vermerke (beide Bl. 25 Rs. d. A.) wohl der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts wie folgt: vom 30.08.2022 mit dem Wortlaut "elektr. ESA per EDDA angef." sowie vom 30.11.2022, der lautet "per EDDA erinnert". Offensichtlich hat die Geschäftsstelle des Nachlassgerichts zu den genannten Zeitpunkten den Erbscheinsantrag ("ESA") in elektronischer Form bei dem verfahrensbevollmächtigten Notar angefordert. Am 14.12.2022 erfolgte die Vorlage an die Rechtspflegerin mit einer Notiz "noch immer kein elektr. ESA".

Mit Schreiben an den verfahrensbevollmächtigen Notar vom 15.12.2022 (Bl. 27 f. d. A.) hat die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts den Hinweis erteilt, "dass in den speziellen Verfahren nach FamFG und den dort vorherrschenden Formerfordernissen bezüglich der Urkunden und beglaubigten Ablichtungen nach Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und im Zuge der Einführung der elektronischen Aktenführung zusätzlich eine Übersendung der entsprechenden Urkunde/n in elektronischer Form zu erfolgen hat" (die Hervorhebung durch Fettdruck entspricht jener in dem Schreiben der Rechtspflegerin).

In dem Schreiben folgen in weiten Teilen auch ohne erkennbaren Bezug zum Erbscheinsverfahren offensichtlich im Wege des "Copy and Paste" ohne Quellenangabe entsprechenden Kommentierungen und Merkblättern entnommene allgemeine Hinweise zur elektronischen Einreichung von Dokumenten im Zivilprozess sowie bei den Sozialgerichten, zu den zulässigen Übermittlungswegen, zu den Fällen, in denen dabei eine qualifizierte elektronische Signatur anzubringen ist, zu den zulässigen Dateiformaten sowie zum Zeitpunkt des Eingangs im Fall einer Nachreichung eines elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 6 S. 2 ZPO ohne Angaben, unter welchen Voraussetzungen eine solche Nachreichung in Betracht kommt.

Mit Fax-Schreiben vom 09.02.2023 (Bl. 29 d. A.) hat der Antragsteller auf den von dem verfahrensbevollmächtigten Notar eingereichten Erbscheinsantrag Bezug genommen und sich nach dem Sachstand erkundigt.

Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat daraufhin dem Antragsteller unter dem 13.02.2023 (vgl. Bl. 29 d. A.) eine Kopie ihres Schreibens an den verfahrensbevollmächtigten Notar vom 15.12.2022 übersandt. Eine weitere Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat mit Schreiben vom 09.05.2023 (Bl. 34 d. A.) den verfahrensbevollmächtigten Notar an die Erledigung der "Zwischenverfügung vom 15.12.2022" erinnert.

Unter dem 22.06.2023 (vgl. Bl. 37 Rs. d. A.) hat die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts in den Akten vermerkt, der verfahrensbevollmächtigte Notar habe erklärt, den Antrag nicht elektronisch einzureichen, und insoweit um rechtsmitt...

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